AOK-Gemeinschaft fordert im Vorfeld des „TherapieGipfels“ Ausbildungsreformen und Kompetenz-Erweiterung für Heilmittel-Berufe
Eine umfassende Ausbildungsreform als Grundlage für eine stärkere therapeutische und wirtschaftliche Verantwortung von Therapeutinnen und Therapeuten sowie eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit fordert der AOK-Bundesverband in einem aktuellen Positionspapier zur „Transformation in eine zukunftsfähige Heilmittelversorgung“. Das Konzept der AOK-Gemeinschaft zu den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Podologie sowie Stimm-, Sprech- Sprach- und Schlucktherapie ist heute mit Blick auf den 6. „TherapieGipfel“ des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände veröffentlicht worden. Das Branchentreffen findet am kommenden Mittwoch (13. November) in Berlin statt.
„Wir können den aktuellen Herausforderungen in der Heilmittelversorgung wie den sinkenden Ausbildungszahlen nicht mehr allein dadurch begegnen, dass wir immer mehr finanzielle Mittel in diesen Bereich pumpen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, anlässlich der Veröffentlichung des Positionspapiers. Allein von 2015 bis 2023 hätten sich die Ausgaben im Heilmittelbereich von sechs auf etwa zwölf Milliarden Euro verdoppelt. Nachdem sich die Verdienstmöglichkeiten der therapeutischen Berufe bereits verbessert und die Honorare in den letzten Jahren deutlich gestiegen seien, müsse die weitere Gesetzgebung nun die Weiterentwicklung von Qualität und Effizienz der Versorgung in den Mittelpunkt stellen. „Um den Beruf attraktiver zu machen, müssen jetzt zunächst die längst überfälligen Ausbildungsreformen zügig umgesetzt werden.“
Aufwertung und Standardisierung der Ausbildungen für Therapeuten
In seinem Positionspapier fordert die AOK-Gemeinschaft eine Aufwertung und Standardisierung der Ausbildungen im Heilmittelbereich. Notwendig seien die Integration von sogenannten Zertifikatsleistungen in die Ausbildung und ein Nebeneinander von fachschulischer und akademischer Ausbildung. Ein erster Arbeitsentwurf zur Aktualisierung des Physiotherapeuten-Gesetzes weise mit der vorgesehenen Teilakademisierung des Berufes in die richtige Richtung, bleibe aber bei der Erweiterung der Kompetenzen hinter den Erwartungen zurück.
Darüber hinaus fordert die AOK eine bundesweit verankerte Schulgeldfreiheit, um die Heilmittel-Berufe attraktiver zu machen und die Benachteiligung gegenüber anderen Gesundheitsberufen zu beenden. „Die Finanzierung der Ausbildung ist allerdings eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss deshalb aus Steuern finanziert werden“, betonte AOK-Vorständin Reimann. Eine Bezahlung der Ausbildungskosten durch die Beitragszahlenden der GKV lehne man entschieden ab.
Sukzessive mehr Raum für eigene Therapie-Entscheidungen
Aus Sicht der AOK sollte die Expertise der Therapeutinnen und Therapeuten künftig stärker in die Planung und Steuerung der Behandlung einfließen. Vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Ausbildungsreform sei es zwar zielführend, dass weiterhin zunächst ein Arzt oder eine Ärztin die medizinische Notwendigkeit einer Versorgung mit Heilmitteln feststelle. Die Heilmittelerbringenden sollten aber sukzessive mehr Raum für eigenen Therapie-Entscheidungen bekommen. Dann könnten zum Beispiel detaillierte ärztliche Angaben auf den Verordnungen entfallen, die heute noch erforderlich sind. Vor der Einführung eines Direktzugangs der Patientinnen und Patienten zur Heilmittel-Versorgung sollten aber zunächst die Erfahrungen aus der Einführung der Blanko-Verordnung für ausgewählte Leistungen in den Bereichen Ergotherapie und Physiotherapie ausgewertet werden. Die Blanko-Verordnung war für bestimmte Indikationsbereiche zum 1. April 2024 in der Ergotherapie und zum 1. November 2024 in der Physiotherapie ermöglicht worden.
Mit der Übernahme von zusätzlicher Verantwortung für Therapie-Entscheidungen müssten Therapeutinnen und Therapeuten künftig aber auch die volle wirtschaftliche Verantwortung für diese Entscheidungen tragen, fordert die AOK in ihrem Positionspapier. Es bedürfe daher klarer gesetzlicher Regelungen im Sozialgesetzbuch zur Übernahme der Wirtschaftlichkeitsverantwortung.
AOK für Etablierung von Zentren zur Heilmittel-Versorgung
Einen besonderen Fokus legt das Papier auf das Thema interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die AOK befürwortet die Einbindung von Heilmittelerbringenden in Primärversorgungszentren sowie die Weiterentwicklung von Einzelpraxen zu Heilmittelversorgungszentren (HVZ). „Diese Zentren könnten sich beispielsweise auf die Behandlung von neurologischen oder geriatrischen Erkrankungen spezialisieren und entsprechende Kompetenzen der Beschäftigten bündeln“, so AOK-Vorständin Carola Reimann. Das könne perspektivisch zu einer qualitativ besseren Versorgung und gleichzeitig zu einer effizienteren Nutzung der begrenzten personellen Ressourcen führen. „Das wäre eine sinnvolle Ergänzung zum heutigen Modell der Einzelpraxen“, betonte Reimann.
Die Zahl der mit der AOK abrechnenden Heilmittelpraxen ist laut dem Papier von knapp 66.000 Praxen im Jahr 2015 auf mehr als 71.000 Praxen im Jahr 2023 gestiegen. Am größten war der Zuwachs der Praxen in den Bereichen Ergotherapie (plus 19 Prozent) und Podologie (plus 27 Prozent). Die Zahl der mit Heilmitteln versorgten Patientinnen und Patienten stieg von etwa 4,9 Millionen im Jahr 2015 auf 5,1 Millionen im Jahr 2023 an.
AOK-Positionspapier „Transformation in eine zukunftsfähige Heilmittelversorgung“ zum Download:
https://www.aok.de/pp/bv/positionen/
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