Immer mehr Eltern betreuen ihre Kinder nach einer Trennung gemeinsam. Dabei verbringen die Kinder unterschiedlich viel Zeit mit ihren getrennten Eltern, wodurch finanzielle Bedarfe anteilig in beiden Haushalten entstehen.
Die Politik ignoriert jedoch diese Realitäten weitgehend. Die zuständigen Bundesministerien für Familie und Justiz halten an veralteten Vorstellungen fest mit „Einer betreut, einer bezahlt“ – unabhängig von der tatsächlichen Betreuungsleistung. „Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum ein Kind in 60 % seiner Betreuungszeit 100 % Bedarf haben soll und in den anderen 40 % gar keinen Bedarf“, kritisiert Gerd Riedmeier, Vorsitzender FSI.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verweigert eine Diskussion über dieses Thema. Sie konzentriert sich ausschließlich auf die Haushalte, in denen die Kinder gemeldet sind (Meldehaushalte), und beklagt die Nöte von „Alleinerziehenden“, die jedoch faktisch oft getrennt erziehen.
Dabei ist es notwendig, aus Kindersicht zu argumentieren: Die Bedarfe der Kinder entstehen dort, wo sie ihre Zeit verbringen. Gemäß BVerfG (1BvL 1/09 von 2010) sind staatliche Sozialleistungen für Trennungsfamilien im Verhältnis der Betreuungsleistungen aufzuteilen. „Dieser Ansatz muss auch für alle kinderbezogenen Steuererleichterungen gelten wie Kinder- und Betreuungsfreibeträge“, fordert Riedmeier und ergänzt: „Und ist auch auf das Unterhaltsrecht zu übertragen.“ Die Bindung von Kindesunterhalt an das Melderecht ist durch eine Ausrichtung auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse zu ersetzen.
Die Defizite in der Politik sind möglicherweise durch die enge Verbindung der Ministerin zu bestimmten Lobbyorganisationen zu erklären: Bundesministerin Paus ist langjähriges Mitglied im Verband alleinerziehender Mütter (VAMV), der sich laut Lobbyregister ausschließlich für die Belange der Meldehaushalte einsetzt. Der Erhalt beider Eltern für Trennungskinder spielt in dieser Organisation eine eher untergeordnete Rolle. BMin Paus erhöhte die staatlichen Förderungen für diesen Verband für 2024 auf 494.000 EUR jährlich.
„Es stellt sich die Frage, warum gerade das Bundesfamilienministerium gegen das Grundrecht der Kinder auf Beziehung zu beiden Eltern arbeitet und damit eine im Grunde verfassungswidrige Politik betreibt“, kritisiert FSI. Mit dem weitestgehenden Festhalten am Modell „Einer betreut, der andere bezahlt“ möchte die Ampel-Koalition in der geplanten Reform des Unterhaltsrechts veraltete Vorstellungen auf Jahre festschreiben. Dabei werden die Bedürfnisse der Kinder vergessen.
Anstatt einseitiger Klientelpolitik, Polarisierung und Spaltung braucht die Gesellschaft eine offene Debatte, bei der die Bedürfnisse und Bedarfe der Kinder im Mittelpunkt stehen. Ein Ausweg wäre, endlich alle relevanten Verbände zu einem Runden Tisch einzuladen, um einen konstruktiven demokratischen Austausch zu ermöglichen. In Irland ist man diesen Weg gegangen und konnte so das Familienrecht erfolgreich und mit breiter Basis modernisieren.
Pressekontakt:
FSI Forum Soziale Inklusion e. V.
Website: www.fsi-ev.de
Email: presse@fsi-ev.de
Vors.: Gerd Riedmeier
Tel. +49 (0)17661112357