Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz (Paderborn), und der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), nehmen Stellung zur Situation in Syrien.
„Der überraschende Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad am vergangenen Sonntag (8. Dezember 2024) markiert eine historische Zäsur. Für die Menschen in Syrien und für syrische Geflüchtete weltweit verbindet sich mit dem Ende der grausamen Diktatur die Hoffnung auf Freiheit und Frieden in ihrem Land. Nach Jahrzehnten der Tyrannei ist ein Aufatmen zu spüren. In die Erleichterung mischen sich aber auch große Sorgen. Besonders die religiösen und ethnischen Minderheiten in Syrien wie Christen, Drusen und Kurden bangen um ihre Zukunft“, erklären die beiden Erzbischöfe.
Durch den blutigen Bürgerkrieg, die barbarischen Verbrechen des sogenannten „Islamischen Staates“ und weitere Gräueltaten hat sich die Zahl der Christinnen und Christen in Syrien drastisch reduziert. Während vor dem Bürgerkrieg die Zahl der christlichen Gläubigen mit etwa 1,5 Millionen angegeben wurde, sollen es heute nur noch etwa 300.000 Personen sein. „Seit den Anfängen unseres Glaubens sind Christinnen und Christen in Syrien beheimatet. Sie sind integraler Teil der syrischen Gesellschaft und Kultur. Als katholische Kirche in Deutschland stehen wir an der Seite unserer christlichen Schwestern und Brüder in Syrien. Wir teilen ihre Hoffnung auf einen Neuanfang, aber auch ihre Ängste und Sorgen“, betont der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten. „In dieser entscheidenden und zugleich äußerst brüchigen Phase ist es unerlässlich, dass alle Akteure auch in der jetzigen Übergangszeit verantwortungsvoll handeln und die Chance auf einen nachhaltigen Frieden und stabile politische Verhältnisse ergreifen. Gemeinsam mit anderen Syrern wünschen sich syrische Christen eine Gesellschaft, in der alle Menschen – unabhängig von Religion, Ethnie oder politischer Überzeugung – in Würde und Sicherheit leben können“, so Erzbischof Bentz.
Der über 13 Jahre währende Bürgerkrieg hat unermessliches Leid und massive Fluchtbewegungen verursacht: Die Rede ist von über sieben Millionen Binnenvertriebenen in Syrien selbst und rund fünf Millionen Geflüchteten, die in Nachbarländern aufgenommen wurden. Hinzu kommt die syrische Diaspora in anderen Teilen der Welt. „In Deutschland haben gut eine Million Syrerinnen und Syrer Zuflucht gefunden. Zahlreiche syrische Geflüchtete gehen einer regulären Beschäftigung nach, haben hier Freunde und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil. Viele Kinder syrischer Schutzsuchender sind in unserem Land geboren. Über 200.000 Menschen mit syrischen Wurzeln haben die deutsche Staatsbürgerschaft erworben; viele weitere warten darauf, dass ihnen der Weg zu umfassender gesellschaftlicher Teilhabe offensteht. Sicherlich gibt es auch Geflüchtete, die nach Syrien zurückkehren werden. Aber: Wer aktuell die Erwartung nach schnellen Rückführungen schürt, blendet die Realität aus“, stellt Erzbischof Heße fest. „So sehr wir alle uns ein Syrien wünschen, in dem Frieden herrscht und die Menschenrechte gewahrt werden: Aktuell ist überhaupt nicht absehbar, wie sich die Lage in Syrien entwickelt. Die Meldungen der letzten beiden Tage zeigen, wie viele unterschiedliche Akteure und Interessen das Geschehen in dem Land beeinflussen. Ob wirklich Frieden einkehrt und das Land sich stabilisieren kann, lässt sich derzeit nicht sagen. Die Rückkehr syrischer Flüchtlinge gegenwärtig zum großen Debattenthema zu machen, ist daher völlig unangemessen“, so der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen.
Gemeinsam richten Erzbischof Bentz und Erzbischof Heße den Blick auf die tatsächlichen Erfordernisse in der aktuellen Lage: „Wir appellieren an die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft, die syrische Bevölkerung in diesem schwierigen Übergangsprozess zu unterstützen. Humanitäre Hilfe, der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und die Förderung eines inklusiven politischen Systems müssen höchste Priorität haben. Beten wir für die Menschen in Syrien, dass ihr Leid ein Ende hat und die Hoffnung auf einen Neuanfang Wirklichkeit wird.“
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