Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: „Mit diesem Haus wollen wir beginnen, den Kinderschutz neu zu denken“
Am 15. November 2024 wurde in Anwesenheit von Bayerns Staatsminister des Innern, Joachim Herrmann das Amalie Nathan Haus in Fürth feierlich eröffnet. Bei der Feierstunde mit rund 100 hochrangigen Vertretern aus Politik, Medizin, Justiz, Polizei und Jugendhilfe betonte der Innenminister die Bedeutung der Einrichtung: „In Fürth wollen wir sehr bewusst beginnen, den Kinderschutz neu zu denken. Der Ansatz basiert darauf, das Kind bestmöglich innerhalb der einzelnen Professionen zu versorgen, aber auch transdisziplinär zusammenzuarbeiten. Im weiteren Projektverlauf wollen wir dann eine regionale Erweiterung andenken und umsetzen“, betonte Herrmann in seiner Eröffnungsrede.
Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt sind keine Ausnahmefälle, Kinder und Jugendliche gelten als besonders verwundbar und verletzlich. Allein im Jahr 2022 gab es laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 15.520 Missbrauchsfälle in dieser Gruppe, jedes siebte Kind hierzulande erleidet sexualisierte Gewalt. Die Aufklärung der Fälle mit Befragungen und Vernehmungen im Rahmen von Strafverfahren oder Familienrechtsprozessen sind eine große Belastung für die Betroffenen.
Diese Belastung wird im neuen Kinderschutzhaus Fürth durch eine optimale qualitative Versorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen signifikant reduziert. Alle erforderlichen Schritte können jetzt durch speziell geschultes Personal und in kindgerechter Umgebung unter einem Dach stattfinden.
So wird ein sicherer Ort geschaffen, um Kinder und Jugendliche nach einem traumatischen Erlebnis zu schützen und einer möglichen Retraumatisierung vorzubeugen.
Den Kooperationspartnern von Medizin, Justiz, Polizei und Jugendämtern bietet das Haus eine alters- und bedarfsgerechte Anlaufstelle an einem einzigen, dafür geeigneten Ort. Lange Wartezeiten und Mehrfachaussagen sowie die Wiederholung von Untersuchungen werden vermieden. Die enge Vernetzung von Justiz, Polizei, den Jugendämtern und Familiengerichten ermöglicht es, dass alle Gespräche und Untersuchungen der Rechtsmediziner, Kinderärzte, Psychologen und Sozialarbeiter in einer den Kindern bekannten Umgebung stattfinden können.
Das Kinderschutzhaus Fürth fungiert damit als eine zentrale, lokale Anlaufstelle für den Kinderschutz.
In den unterschiedlichen Bereichen im Amalie Nathan Haus sind medizinische, psychiatrische, psychologische und psychosoziale Diagnostik ebenso vorgesehen, wie notwendige Behandlungen und Beratungen oder die strafverfahrensrechtliche Ermittlungs- und Beratungsarbeit der Polizei und die Aufklärung und Ahndung von Straftaten durch die Justiz. Auch die Einbeziehung des Familiengerichts ist möglich.
Dieser transprofessionelle Ansatz des Kinderschutzes zwischen Kooperationspartnern von Justiz, Polizei, Jugendhilfe und Medizin, wird erstmalig in Deutschland umgesetzt. Mit der ganzheitlichen Betreuung der Kinder und Jugendlichen wird in einem Kinderschutzhaus eine multidisziplinäre Anlaufstelle geschaffen, die ein Ermittlungsverfahren gewährleistet, bei dem neben der Wahrheitsfindung vorrangig das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt steht. Die Verknüpfung des Barnahus-Modells mit dem medizinischen Kinderschutz und der Jugendhilfe stellt eine neue Stufe der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen mit dem klaren Ziel dar, den Schutz und das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Das Barnahus-Modell basiert auf der Erkenntnis, dass die Aussage des Kindes sowohl zur Identifizierung und Untersuchung von Kindesmissbrauch für die strafrechtliche Verfolgung, aber auch für therapeutische und Schutzzwecke wesentlich ist.
Gerade die gerichtliche Verfolgung von Straftaten an Kindern und Jugendlichen ist für die Betroffenen extrem belastend. Mehrfache Untersuchungen und wiederholte Befragungen führen zusätzlich zum Erlebten nachweislich zu einer Zunahme von Belastungsstörungen.
Im Fürther Kinderschutzhaus erhalten traumatisierte Kinder und Jugendliche emotionale Unterstützung zur Bewältigung der traumatischen Erlebnisse und werden dabei begleitet, die Ursachen zu verstehen und zu bewältigen. Die jeweilige Krisensituation und die häufig damit verbundenen Gefühle von Schuld und Kränkung werden mit den Betroffenen in einem individuellen Prozess aufgearbeitet, wichtige Ereignisse und Entscheidungen, die die aktuelle Lebenssituation oder die Zukunft des Kindes betreffen, altersgerecht und aktiv besprochen. Durch Sozialpädagogen und Psychologen vor Ort soll grundsätzlich die kindliche Perspektive mitgedacht und die Zeit des Aufenthaltes so angenehm wie möglich gestaltet werden.
Das Kinderschutzhaus in Fürth, das unter der Trägerschaft des Klinikums Fürth steht, wurde von der Stiftung „Kinderförderung von Playmobil“ initiiert. Mit einem siebenstelligen Betrag hat die Stiftung die Einrichtung des Kinderschutzhauses unterstützt und garantiert für die nächsten fünf Jahre den Betrieb des Amalie-Nathan-Haus.
Für Dr. Florian Trini, Projektleiter des Kinderschutzhauses und Oberarzt am Klinikum Fürth, ist dies eine elementar wichtige Zusage: „Durch die fünf-jährige Projektlaufzeit können Daten ehrlich und sinnvoll gesammelt und aufgearbeitet werden und mit diesen Erkenntnissen dann eine sinnvolle Weiterentwicklung und Verstetigung des Projektes entstehen.“ Er fährt fort: „Durch die lange Projektlaufzeit wird uns auch die Chance gegeben, Verläufe der akuten Kinderschutzfallarbeit zu sehen und daraus zu lernen.
Wie wichtig die Einrichtung des neuen Fürther Kinderschutzhauses ist, zeigt ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik: Mehr als 18.400 Kinder und Jugendliche wurden in Deutschland im Jahr 2023 Opfer sexualisierter Gewalt. Experten gehen allerdings davon aus, dass die Dunkelziffer extrem hoch ist und von den Institutionen etwa 90% der Fälle überhaupt nicht wahrgenommen werden. Schätzungen nach, belaufen sich die Trauma-Folgekosten in Deutschland pro Jahr auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Benannt wird das neue Kinderschutzhaus nach der in Fürth geborenen jüdischen Wohltäterin Amalie Nathan (geb. 19. März 1849, gest. 17. November 1906). Als Ehefrau des Fürther Bankiers Sigmund Nathan gründete sie 1889 mit einem Kapital von 40.000 Mark die „Sigmund und Amalie Nathan’sche Stiftung“ und gilt als Initiatorin des Nathanstifts, das sie mit einer Spende von 300.000 Mark unterstützt hat – das entspricht heute einem Betrag von mehr als zwei Millionen Euro.
Für die Zukunft ist eine Weiterentwicklung und Expansion des Amalie Nathan Hauses zu einem Kompetenzzentrum für Kinderschutz in Nordbayern angedacht, um Expertise und Erfahrungen auch überregional anzubieten.
Die Stiftung Kinderförderung von Playmobil wurde 1995 von Horst Brandstätter (1933-2015) gegründet. Er war Inhaber der Horst Brandstätter Group, zu der auch die Marke PLAYMOBIL gehört. Ziel der gemeinnützigen Stiftungsarbeit ist es, Kindern und Jugendlichen eine gesunde körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu ermöglichen. Schwerpunkt der Arbeit sind dabei die Felder Bildung, Aktivität, Kreativität und Kultur.
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