Von Bernhard Romanowski und Katharina Rüth
Im Wuppertaler Stadtteil Langerfeld hat das NRW-Integrationsministerium mit Unterstützung von Polizeikräften vergangene Woche einen Mann festgenommen, der vom evangelischen Kirchenkreis Wuppertal dort im Rahmen eines Kirchenasyls seit mehreren Monaten beherbergt worden war. „Bei dem Fall handelt es sich um eine Dublin-III-Rücküberstellung – sprich, um eine Person, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag auf Asyl gestellt hat. Ein Zugriff auf diese Person war erfolgreich“, bestätigt eine Sprecherin des zuständigen Ministeriums in Düsseldorf auf WZ-Nachfrage.
„Leider können wir zu Einzelpersonen öffentlich keine weiteren Angaben machen, weil sonst Rückschlüsse auf beziehungsweise eine Identifizierung von Einzelpersonen möglich wären“, heißt es aus dem Ministerium.
Stadtdirektor Matthias Nocke bestätigt, von dem Polizeieinsatz Kenntnis zu haben, da es sich um eine staatliche Aktion auf Wuppertaler Stadtgebiet handelte. „Aber ich kann dazu keine weiteren Angaben machen.“
Wie Ilka Federschmidt als Superintendentin gegenüber unserer Zeitung berichtete, geht es um einen Mann aus Tadschikistan, der über Litauen nach Deutschland einreiste, und dem in seinem Heimatland in Zentralasien Haft, Folter und Tod drohten: Als Mitglied einer Oppositionspartei werde ihm von der tadschikischen Regierung vorgeworfen, Verbindungen zu der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gehabt zu haben, so Federschmidt. Die Flüchtlingsberatung der Diakonie und der Kirchenkreis sehen die Vorwürfe nach eingehender und gründlicher Abwägung als Vorwand der tadschikischen Regierung, um die Abschiebung des Mannes aus Deutschland und dessen Überstellung aus Litauen nach Tadschikistan zu erwirken. „Wir wollten den Mann mit Gewährung des Kirchenasyls nicht einem rechtsstaatlichen Zugriff entziehen, sondern erreichen, dass ihm ein faires rechtsstaatliches Verfahren in Deutschland gewährt wird“, sagt die Superintendentin. Ein solches sei für ihn in Litauen nicht zu erwarten.
Federschmidt betont: „Kirchenasyl ist kein Versteck, wie oft angenommen wird. Es ist auch kein Spielchen von Gutmenschen. Wir erheben uns nicht über geltendes Gesetz.“ Die deutschen Behörden, darunter das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) für Angelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Köln, seien von Beginn an über den Aufenthaltsort des Mannes unterrichtet gewesen. „Ihnen war zu jeder Zeit bekannt, wo er ist.“ Der Mann wurde in einer Wohnung in Langerfeld untergebracht und von ehrenamtlichen Helfern sowie der Flüchtlingsberatungsstelle dort intensiv begleitet. „Wir schützen keine IS-Kämpfer. Uns geht es darum, dass die zuständigen Stellen diesen Fall noch einmal genauer zu prüfen.“ Die Familie des Mannes befindet sich mit anerkanntem Flüchtlingsstatus ebenfalls in Wuppertal und half bei der Unterstützung. Zwischenzeitlich ging es ihm psychisch allerdings trotzdem sehr schlecht, wie seine ehrenamtlichen Begleiter berichtet haben sollen. „Der Schutzbefohlene gehörte in Tadschikistan der Partei Islamische Wiedergeburt an“, sagt Ilka Federschmidt. Es handle sich aber um eine als gemäßigt eingestufte Partei, die islamistische Strömungen und Gruppen wie den IS und den Salafismus ablehne. „Schon der Großvater des Mannes war in dieser Partei – eine Art islamische CDU – engagiert und wurde deshalb ermordet“, berichtet Federschmidt.
Der Vorwurf der IS-Nähe geht ihr zufolge auf eine sogenannte Red Notice (deutsch: rote Notiz) der Regierung in Tadschikistan zurück, die sie an Interpol geschickt habe und so auch die zuständigen deutschen Behörden erreichte. Erkenntnisse des Staatsschutzes oder gar Belege für die Vorwürfe gebe es nicht, so Federschmidt. Der Zugriff der Behörden erfolgte ohne Kenntnis des Kirchenkreises. „Anwohner, die Zeuge davon wurden, berichteten uns davon. Wir waren sehr frappiert.“ Insbesondere die Familie leide sehr unter der Situation. Der Mann befindet sich derzeit in Abschiebehaft in Büren. „Es läuft ein Eilantrag, um die Abschiebung zu verhindern und ein Verfahren in Deutschland zu erreichen“, so die Superintendentin. „Es lag ja nur die Red Notice der tadschikischen Regierung gegen ihn vor, sonst nichts.“
Alle bisherigen über 20 Fälle von Kirchenasyl in Wuppertal seien mit einer Anerkennung geendet. Für diesen Fall hat Federschmidt aber die Befürchtung, dass die aktuelle Stimmung in Deutschland dagegen steht. „Die Behörden stehen seit dem Anschlag in Solingen unter Druck. Das ist verständlich angesichts der schrecklichen Tat. Aber es wäre furchtbar für unseren Rechtsstaat, wenn ein Unschuldiger keine Chance auf ein faires Verfahren bekommt.“
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