Es ist viel zu früh, das Bleiberecht integrierter Syrer infrage zu stellen
Ob in Hamburg, Berlin oder Essen: An diesem zweiten Adventssonntag gleichen sich an den zentralen Plätzen deutscher Städte die Bilder. Männer, Frauen und Kinder schwenken Fahnen, tanzen im Rhythmus der Trommeln und Sprechchöre. „Syrien ist frei“, rufen sie. Assad, der Schlächter von Damaskus, versteckt sich unter den Fittichen des russischen Machthabers Wladimir Putin. Geblieben sind nur zur Plünderung überlassene Paläste.
Die Bilder tun gut in diesen Tagen. Doch schon trübt Wahlkampfkalkül die Stimmung, indem nur wenige Stunden nach dem Regimesturz das Aufenthaltsrecht der Syrer in Deutschland infrage gestellt wird: Wenn der Fluchtgrund weg ist, also politische Verfolgung durch das Regime und Krieg, dann falle auch der Asylgrund weg sowie der sogenannte subsidiäre Schutz, heißt es vor allem von Unionspolitikern. So erklärt Hessens Innenminister Roman Poseck: „Wir haben ein hohes Interesse, Flüchtlinge aus Syrien wieder in ihre Heimat zurückzuführen, freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen.“ CDU-Außenexperte Peter Beyer betont, es gebe keinen Asylgrund mehr, wenn „Humanität und Stabilität in Syrien jetzt einkehren“.
Humanität und Stabilität: Für beides steht Deutschland. Ob diese Werte in Syrien eine Chance haben, ist völlig ungewiss. Denn bei den Rebellen handelt es sich größtenteils um Islamisten. Dass unter ihnen ein demokratischer Staat entstehen kann, ist nicht gerade naheliegend. Wie falsch es sein kann, Islamisten zu vertrauen, zeigt Afghanistan. Dort sind seit der Machtübernahme der Taliban trotz gegenteiliger Versprechungen Frauen nahezu komplett aus dem öffentlichen Leben verschwunden.
Eine syrische Familie, die sich in Deutschland ein Leben aufgebaut hat, Steuern zahlt und in die deutsche Gesellschaft integriert ist, wäre sicher schlecht beraten, jetzt in das Charterflugzeug zu steigen, das sich Jens Spahn (CDU) neben 1000 Euro Starthilfe für syrische Rückkehrer vorstellen kann. Zu dieser Flüchtlingsgruppe gehören ziemlich viele Syrer, das zeigt der Faktencheck. So lag im Sommer dieses Jahres die Beschäftigungsquote von syrischen Männern der ersten Welle von 2015 und 2016 bei 70 Prozent. In Zeiten von Fachkräftemangel sollte es gar nicht im deutschen Interesse sein, diese Gruppe zurückzuschicken. Anders sieht es mit Flüchtlingen aus, die diese Gesellschaft und ihre Gesetze ablehnen; allen voran Schwerkriminelle und Islamisten. Sie sorgen dafür, dass für viele Menschen das mulmige Gefühl beim Besuch eines Weihnachtsmarktes dazugehört.
Wie dramatisch die Folgen sind, wenn nichts unternommen wird, zeigt der Attentäter von Solingen, der im August bei einem Stadtfest zwei Menschen erstach und acht weitere zum Teil schwer verletzte. Er wurde weder an seinem mörderischen Plan gehindert noch in Abschiebehaft genommen und außer Landes geschafft. Derartige Fälle gehören ganz oben auf die Tagesordnung der deutschen Innenpolitik. Bei allem Drang, Gefährder abzuschieben, gilt aber auch: Das Letzte, was Syrien braucht, sind noch mehr zu allem bereite Islamisten, die dabei helfen, ein neues internationales Terrornest zu züchten. Sie gehören ins Gefängnis. In Syrien oder hier.
Jetzt kann es nur darum gehen, sich mit den Menschen aus Syrien über den Fall Assads zu freuen. Und dann mit aller Kraft den Aufbau einer Regierung zu unterstützen. Wie groß die Sehnsucht der Syrer nach einem stabilen Staat ist, haben die Bilder vom Sonntag gezeigt.
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