Wenn Politikwissenschaftler künftig ein Seminar über taktische Fehler bei der Aufstellung von Spitzenkandidaten geben, haben sie ein neues Referenzbeispiel. Es ist noch krasser als die Feldschlacht zwischen CDU und CSU vor der Bundestagswahl 2021. Die Nominierung des SPD-Spitzenkandidaten für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar ist eine atemberaubende Fehlleistung des Kanzlers, der Parteiführung, der Landesverbände und des Publikumslieblings Boris Pistorius. Alle gemeinsam sorgen dafür, dass eine fast aussichtslose Lage der SPD zur Mission Impossible wird. Die SPD hat dem Wahlvolk eindrucksvoll gezeigt, dass sie nicht einmal selbst geschlossen an den eigenen Kandidaten glaubt. Wie soll dann Deutschland an ihn glauben?
Nach dem Rauswurf von Christian Lindner gab es einen der seltenen Momente, in denen Olaf Scholz die Führung lieferte, die bei ihm bestellt war. Er hatte Christian Lindner überrumpelt und war über Nacht im Fahrersitz und hätte mit der Partei hochschalten müssen. Stattdessen hat man gemeinsam den Leerlauf eingelegt und den Motor aufheulen lassen. Jetzt steht man immer noch auf der Startlinie, und am Horizont sieht man die Rücklichter von Friedrich Merz.
Auch Boris Pistorius, das größte Pfund im Team SPD, hat die Lage schlimmer gemacht. Tagelang ließ er den Kanzler zappeln und provozierte damit zugleich die Frage: Was kann Pistorius eigentlich besser? Die Antwort fiel nicht überall in der Partei zu seinen Gunsten aus.
Der Spitzenkandidat wird nach seiner politischen Zangengeburt wieder ganz unten anfangen müssen. Auf 15 Prozent ist die SPD gefallen, und nach diesen Tagen ist der Boden noch nicht in Sicht.
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