Von Berlin sollte vor zehn Jahren ein Zeichen ausgehen: Der Westbalkan gehöre zur Europäischen Union. Dafür lobte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den Berlin-Prozess aus. Die Balkanländer sollten fit für die EU gemacht, die Zusammenarbeit gestärkt werden.
Am Montag stieß Olaf Scholz ins selbe Horn: „Die Europäische Union ist erst vollständig, wenn der Westbalkan Teil von ihr ist“, ließ der Kanzler wissen, der zum Gipfel geladen hatte. Dessen Ergebnis: Ein gemeinsamer Markt soll vorangetrieben und der akademische Austausch erleichtert werden. Das ist mehr als nichts, zugleich wird deutlich, dass der Berlin-Prozess eine Sackgasse geworden ist.
Zwar wollen die sechs Eingeladenen – Albanien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und Kosovo – nominell weiterhin in die EU. Doch es gibt Absetzbewegungen. So kam aus Belgrad nicht Präsident Aleksandar Vucic, der sonst keine Gelegenheit auslässt, sich vor Kameras zu stellen; stattdessen schickte er Premier Milos Vucevic.
Die Länder des Balkans haben mittlerweile Alternativen zur EU. Vor allem Serbien nutzt dies aus. Da ist zum einen China, das in der Region investiert, um sie an die Neue Seidenstraße anzuschließen. Auch die Türkei und arabische Länder weiten Handel und Einfluss aus. Dann gibt es noch die USA, die nicht nur militärisch präsent sind. Falls Donald Trump zurück ins Amt käme, würde der Kampf um den Balkan in eine neue Runde gehen.
Berlin will da nicht abseitsstehen und hat sich die reichen serbischen Lithiumvorkommen gesichert. Darunter wird die Umwelt leiden, was die Bundesrepublik ebenso wenig interessiert wie die Massenproteste gegen das Projekt. Von Partnerschaft auf Augenhöhe ist dabei keine Spur, der Balkan bleibt für Deutschland – in oder außerhalb der EU – der Hinterhof.
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