Während Politiker in Berlin sorgenvoll auf die US-Präsidentschaftswahl blicken, spielt sich nebenan in Potsdam eine bizarre Szene ab: Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) positioniert sich mit den Abgesandten der Sahra Wagenknecht gegen die Stationierung von – konventionellen! – US-Mittelstreckenwaffen in Europa.
In ein paar Jahren könnte sich Nebenaußenpolitiker Woidke sogar selbst die Umstände zurückwünschen, die es ihm ermöglichten, sich so auf Kosten des Verbündeten USA und des Potsdamer Bundestagsabgeordneten Olaf Scholz zu profilieren. Denn unabhängig davon, ob Kamala Harris oder Donald Trump gewinnt: Die USA werden künftig nicht mehr für die Europäer die Kohlen aus dem Feuer holen.
Mit den Mittelstreckenwaffen hilft Washington den Nato-Partnern östlich des Großen Teiches vorübergehend aus, weil die es bisher versäumt haben, sich selbst solche Systeme zuzulegen. Weder Harris noch Trump werden es weiter hinnehmen, dass die Europäer sich von den USA derart bedienen lassen.
Die Frage ist nur, ob sich ein planvoller Wandel der Nato hin zu einem Bündnis vollziehen kann, in dem die Europäer maßgeblich die Verantwortung für ihre eigene konventionelle Verteidigung tragen und sich dabei auf die nukleare Rückversicherung der USA stützen – oder ob auch diese Rückversicherung in Frage gerät und die Glaubwürdigkeit des Bündnisses in einem chaotischen Prozess zusammenbricht.
Von Harris ist eine rationale Politik gegenüber Verbündeten wie Gegnern zu erwarten. Trump dagegen, der schon mit Gedanken spielte, Russland zu Angriffen zu ermutigen, Trump also ist unberechenbar. Seine einzige Konstante ist das Suchen nach Deals. Wie er die bekommen will, ob er etwa die Ukraine preisgeben oder aber den Konflikt mit Moskau eskalieren lassen würde – das ist so offen wie der Ausgang eines Roulettespiels. Der Mann, der sich um den Oberbefehl über das weltgrößte Militärpotenzial bewirbt, diffamiert innenpolitische Gegner als Volksfeinde. Das ist Diktatorensprache. Das ist Streben nach Macht ohne Kontrolle.
Auf keines dieser Szenarien ist die Mehrheit der europäischen Staaten vorbereitet. Weder auf das denkbare Trump-Chaos noch auf die Verantwortung, die Harris ihnen abverlangen würde. In Polen und Nordeuropa mag man die Signale verstanden haben, in Berlin – wo Verteidigungsminister Boris Pistorius einsam ums Geld kämpft – gewiss nicht.
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