Als demokratisch gewählter Vertretung des Volkes kommt dem Bundestag „bei der Gestaltung seiner inneren Organisation und des Geschäftsgangs ein weiter Spielraum zu“. So hat es das Bundesverfassungsgericht jetzt bekräftigt – und sich damit selbst große Zurückhaltung auferlegt. Einzige Maßgabe: Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament müssen gewahrt bleiben. Das gilt zum Beispiel für die Zahl der Sitze, die eine Fraktion in den Ausschüssen bekommt. Der Rest ist, salopp formuliert, Sache des Parlaments. Und damit der Mehrheit.
Deshalb ist die AfD bisher mit allen Versuchen gescheitert, einen Bundestagsvizepräsidenten zu etablieren, obwohl ihr der nach dem Proporz zusteht. Doch niemand kann die Abgeordneten zwingen, einen AfD-Kandidaten zu wählen. Ebenso darf die Mehrheit der AfD einen Ausschussvorsitz verweigern. Oder sie darf einen Vorsitzenden, der sich mit rassistischen Äußerungen unmöglich gemacht hat, aus dem Amt entfernen.
Juristisch hat das alles seine Richtigkeit. Doch bleibt die Frage, wie die Mehrheit mit ihrem großen Gestaltungsspielraum umgeht. Es mag eine Zumutung sein, für einen Kandidaten der AfD die Hand zu heben. Die AfD ist eben keine normale Partei, sie steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, viele ihrer Spitzenleute verbreiten eine antidemokratische, völkisch-nationalistische Ideologie.
Auf der anderen Seite kann sich die AfD bei der derzeitigen Praxis als Opfer einer Blockademehrheit der „Altparteien“ inszenieren. Das verfängt durchaus. Die Frage muss erlaubt sein: Wie groß wäre der Schaden, den ein Ausschussvorsitzender der AfD anrichten könnte? Ist der politische Schaden nicht größer, den die heutige Posten-Quarantäne verursacht? Jedenfalls hinterlässt der Umgang mit den AfD-Vertretern im Bundestag ein Störgefühl.
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