Alle Achtung. Trotz erheblicher Probleme im Land steht die NRW-Regierung im Meinungsbild achtbar dar. Und der Ministerpräsident erreicht im NRW Check, den das Meinungsforschungsinstitut Forsa für 38 NRW-Tageszeitungen erstellt, den höchsten Zufriedenheitswert, der in dieser Umfrageserie seit Amtsantritt für ihn gemessen wurde. Die Anhänger der eigenen Partei stehen fast einhellig hinter ihm, die der Grünen mit großer Mehrheit – und auch im Lager der Sozialdemokraten gibt es mehr Zustimmung als Ablehnung.
Wüst hat sich sein Ansehen mit einer Haltung des Ausgleichs und des Respekts auch vor dem politischen Wettbewerber erarbeitet. Wo andere Unionspolitiker – nicht nur CSU-Chef Markus Söder, sondern auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer – ihr Heil in der Herabsetzung der Grünen gesucht haben oder noch suchen, kommt von Wüst kein böses Wort über diese Partei, mit der er koaliert und deren konstruktives Verhalten er lobt. Auf die kritische Lage nach dem islamistischen Messerattentat von Solingen hat Wüst überlegt reagiert, sich demonstrativ hinter die unter Druck geratene grüne Flüchtlingsministerin Josefine Paul gestellt, aber auch die Zustimmung der Grünen für ein Paket zum Umgang mit irregulärer Migration erreicht, das wohl noch ein paar Monate früher für diese Partei undenkbar erschienen wäre.
Hinsichtlich der Haltung zu den Grünen hat Merz inzwischen von Wüst gelernt. Und Wüst, der früher mal als Vertreter des konservativen CDU-Flügels galt, hat sich zum bei vielen Parteifreunden verpönten Erbe Angela Merkels bekannt. Zu diesem Erbe gehört eine Strategie, die der Union mehrfach zu großen Wahlsiegen verholfen hat: die der asymmetrischen Mobilisierung.
Die eigenen Anhänger um sich scharen – und dem politischen Gegner möglichst wenig Reibungspunkte bieten: So lässt sich Wüsts ausgleichendes Auftreten in harte politische Währung umsetzen. So hält Wüst die Scharfmacher von der AfD auf Distanz und drückt die Salonputinisten um Sahra Wagenknecht unter die Wahrnehmungsschwelle. Der nette Herr Wüst lässt aber auch kaum mehr Raum für die FDP und wenig Profilierungschancen für die SPD.
Der NRW-SPD früherer Jahrzehnte hätte man Kompetenz beim Umgang mit dem Problem zugetraut, das die Leute in NRW stärker bewegt als jedes andere: die schwache wirtschaftliche Entwicklung. Deutschland bleibt hinter vielen anderen Volkswirtschaften zurück, und die Krisen der Stahl- und der Autoindustrie treffen NRW besonders hart. Dabei zeigen die Befragten ein feines Gespür: Soziale Umverteilung ist ihnen weit weniger wichtig als die Wirtschaftslage. Verteilt werden kann nur, was erwirtschaftet wird – eigentlich eine klassische sozial- wie auch christdemokratische Haltung. Heute aber ist die SPD in der Wirtschaftspolitik kaum mehr sprachfähig.
Die starken Werte für Wüst und seine CDU zeigen dagegen, von wem die Leute eine Antwort erwarten. Die muss Wüst jetzt aber auch liefern. Er und seine grüne Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur müssen zeigen, wie NRW auch in Zukunft Energieland, industrielles Schwergewicht und Logistikzentrum bleiben kann. Ihre demoskopische Halbzeitbilanz ist gut – aber bei der nächsten Landtagswahl 2027 werden sie daran gemessen, welche Kraft zur Innovation das Land unter ihrer Führung entfaltet.
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