Kann sich noch jemand an Silvester vor vier Jahren erinnern? 2020 war ein Jahr zum Abgewöhnen. Die Corona-Pandemie hatte den ganzen Planeten im Griff. Kontaktverbote, Ausgehbeschränkungen, die tägliche Routine im Homeoffice, geschlossene Kitas, Schulen, Geschäfte, Kneipen: Als das Jahr zu Ende ging und die ersten Impfstoffe verfügbar waren, wollten die Menschen dieses vermaledeite Jahr einfach nur abhaken und so schnell wie möglich ihr gewohntes Leben zurück.
Das war der große Wunsch, als man am 31. Dezember um Mitternacht mit seinen Liebsten anstieß und die Freunde per Videokonferenz dazuholte. Doch der Wunsch war verfrüht, wie sich rasch herausstellte: Bis alles wieder war wie vorher, vergingen noch anderthalb Jahre.
Jetzt geht 2024 zu Ende. Und wenn man ehrlich ist, war auch das ein Jahr, das man so nicht noch einmal braucht. Selbstverständlich ist seine Dramatik nicht mit der des Jahres 2020 zu vergleichen. Zumindest nicht in Deutschland: Die Menschen hier sind frei, kein tödliches Virus lähmt das öffentliche Leben.
Politisch aber war 2024 ein Graus. Hierzulande setzte sich das Siechtum der Ampelkoalition fort, bis diese schließlich im November am Ende war. Der Aufstieg der rechten AfD ging weiter, mehr denn je ist sie heute eine Gefahr für die Demokratie und die offene Gesellschaft. Und weil die Wirtschaft kriselt, haben wieder Millionen Beschäftigte in diesem Land Angst um ihre Jobs.
Auch international brachte 2024 wenig Gutes: In den USA gewann Donald Trump zum zweiten Mal eine Präsidentschaftswahl. Im Nahen Osten droht ein Flächenbrand. Und die tapferen Ukrainer sind bei der Abwehr des russischen Vernichtungsfeldzugs zunehmend in der Defensive. Also: Das Jahr 2024 abhaken, Pobacken zusammenkneifen, weitermachen? Wenn das nur so einfach wäre!
Die Wahrheit ist, dass wir in einer Phase der multiplen Krisen leben und sich das absehbar kaum ändert. 2025 wird anders, aber bestimmt nicht angenehmer. International muss man mit dem Schlimmsten rechnen, wenn demnächst wieder ein verhaltensauffälliger Narzisst im Weißen Haus sitzt. In Deutschland wiederum wird am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt. Aber es wird bestimmt nicht leichter als bisher, Mehrheiten auf die Beine zu stellen, um das Land zu regieren. Möglicherweise werden im neuen Bundestag wieder sieben Parteien vertreten sein. Da ist es ziemlich wahrscheinlich, dass nach dem Urnengang in der Not abermals zusammenfindet, was eigentlich nicht zusammengehört.
Aber wer weiß: Vielleicht besteht ja doch die Chance, aus der Unübersichtlichkeit etwas Gutes zu machen. Das gilt insbesondere für die Europäische Union – und damit auch für Deutschland. In der Vergangenheit brauchte es immer Krisen, um die Integration auf dem Kontinent voranzutreiben und die Gemeinschaft als Ganzes widerstandsfähiger zu machen. In der Pandemie etwa war es plötzlich möglich, ein gigantisches Konjunkturprogramm für alle Mitgliedstaaten aufzulegen und dafür auch gemeinsam Geld zu beschaffen.
Im Angesicht der russischen Aggression und eines unberechenbaren US-Präsidenten wäre es jetzt nur logisch, wenn die Europäer begönnen, endlich Ernst zu machen mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Seit Jahrzehnten reden sie darüber. 2025 könnte das Jahr werden, in dem sie nicht mehr anders können. Notgedrungen zwar und vielleicht auch mit einigem Unbehagen. Aber vielleicht gerade deshalb nicht weniger entschlossen. Das wäre doch was! Bleiben wir also optimistisch.
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