Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt alles auf eine Karte. Er will die Feinde seines Landes nicht nur vernichten. Er demütigt sie, was in der Politik des Nahen Ostens wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Erst fädelt der israelische Geheimdienst mutmaßlich eine spektakuläre Massen-Explosion an Kommunikationsgeräten von Hisbollah-Mitgliedern im Libanon ein. Dann tötet die Luftwaffe des Landes mehrere Kommandeure der Schiiten-Miliz.
Die Botschaft ist klar: Israel ist imstande, seine Gegner immer und überall zu treffen. Es soll maximale Abschreckung garantieren. Ob dies funktioniert, darf bezweifelt werden. Fast ein Jahr nach dem brutalen Massaker der Hamas in Israel ist der von Netanjahu versprochene „totale Sieg“ noch nicht erreicht.
Der Ministerpräsident baut auf eine militärische Brutalo-Logik – erst im Gazastreifen und nun auch im Libanon. Was ihm fehlt, ist ein taktisches Gespür und ein strategisches Denken. US-Präsident Joe Biden hat ihm vergeblich eine diplomatische Lösung auf dem Silbertablett serviert: Waffenstillstand in Gaza und Rückkehr aller Geiseln. Zudem hätte die Hisbollah ihre Angriffe auf Israel eingestellt. Wäre Netanjahu klug, würde er seine Feinde auf die Probe stellen. Falls es nicht klappt, hätte Israel immer noch die militärische Option.
Ebenso mangelt es Netanjahu an einer Vision für die Zeit nach Ende des Gaza-Krieges. Würde er einen Entwurf für einen Palästinenserstaat präsentieren, hätte er alle arabischen Nachbarländer auf seiner Seite. Eine derartige Strategie würde mehr Chancen auf Stabilität im Nahen Osten eröffnen, als eine zusätzliche Front im Libanon aufzumachen.
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