Sie haben sich 23 Mal im Kanzleramt getroffen und mehr als 80 Stunden direkt miteinander verhandelt. Jeder Stein sei dabei umgedreht worden, hieß es am Freitagmorgen danach. Die letzte Nacht war noch einmal sehr arbeitsintensiv. Aber dafür sahen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einigermaßen zufrieden aus, als sie am späten Vormittag das Ergebnis ihres Tuns präsentierten.
Nach monatelangem Gezerre steht das Gerüst für den Bundeshaushalt 2025. Der Etat für das laufende Jahr wird noch einmal angepasst, all das geschieht im Rahmen der Schuldenbremse. Zudem plant die Koalitionsspitze ein umfangreiches Paket zur Entlastung der Wirtschaft, um der lahmenden Konjunktur Schwung zu verleihen.
Die Beschlüsse der drei Ampel-Alphamänner dürften eine unmittelbare politische Folge haben: Ein Bruch der Koalition ist bis auf Weiteres abgewendet. Stand jetzt gibt es keinen realistischen Grund mehr für die Annahme, dass das Regierungsbündnis nicht bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2025 halten wird. Das wird die Opposition zwar nicht davon abhalten, bei nächster Gelegenheit Neuwahlen zu fordern. Aber wenn der Haushaltsentwurf der Regierung später im Jahr ohne größeres Drama durchs Parlament geht, gibt es eine belastbare Grundlage für einen Fortbestand der Koalition bis zur nächsten Bundestagswahl.
Der Etatplan kommt ohne die ganz großen Zumutungen aus. Natürlich gibt es Entscheidungen, die fragwürdig sind. Die Bundeswehr und die deutschen Auslandsvertretungen etwa erhalten weniger Geld, als sie eigentlich bräuchten. Zugleich soll es aber Verbesserungen für Familien und Mieter geben. Unternehmen sollen Investitionen deutlich schneller abschreiben können und von Bürokratie entlastet werden. Gerade den letzten Punkt sollte man nicht gering schätzen: Die deutsche Wirtschaft benötigt dringend wirkungsvolle Impulse.
Das Kabinett soll den Haushalt Mitte Juli auf den Weg bringen. Danach ist der Bundestag am Zug. Es wird noch viele Diskussionen und viele Veränderungen am Entwurf geben. Das liegt in der Natur der Sache. An der Art und Weise, wie die Debatten im Herbst auf der Ebene der Fraktionen vonstattengehen werden, wird sich aber ermessen lassen, ob sich die Ampel nur noch widerwillig bis zum nächsten Wahltermin schleppt oder ob eine Neuauflage des Bündnisses Ende kommenden Jahres eine Option sein könnte.
Unabhängig davon sollte man sich bewusst sein, dass Deutschland gerade ein wichtiges Signal an seine internationalen Partner sendet: Die Bundesregierung mag angeschlagen sein, handlungsfähig ist sie gleichwohl. Deutschland kann und wird die Rolle spielen, die man von ihm erwarten kann. Das ist sehr wichtig in einer Zeit, in der Russland versucht, die Grenzen in Europa mit Gewalt zu verschieben, in der Frankreich dem Rechtsextremismus anheimzufallen droht und sich in den USA ein durchgeknallter Nationalist anschickt, zum wiederholten Male ins Weiße Haus einzuziehen.
Die drei Ampel-Anführer in Berlin sind sich bewusst, dass ihre Verantwortung gerade weit über die Grenzen des Landes hinausgeht. Hinzuschmeißen sei keine Alternative, sagte der Kanzler am Freitag. In der Tat: Nichts hätten Deutschland und Europa jetzt weniger gebrauchen können als eine implodierende Regierung und einen Wahlkampf, der das Land über Monate hinweg lähmt.
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