Rumms. Die Woche begann mit einem Tiefschlag für Friedrich Merz: In Brandenburg landete die CDU nicht nur hinter SPD und AfD, sondern auch noch abgeschlagen hinter dem BSW. Vierter Platz, 12 Prozent – mieser geht’s nicht. Ganz überraschend kam das nicht. Im Gegenteil: Merz musste damit rechnen, dass die dritte der drei Ostwahlen für die CDU in die Grütze gehen könnte. Deshalb auch das vorgezogene K-Fragen-Timing.
„Nach den Ostwahlen“, so hieß es lange Zeit in der Union, werde man die Frage der Kanzlerkandidatur entscheiden. Dann, nachdem Sachsen und Thüringen gewählt hatten, beschlossen Merz und Markus Söder, die Sache vorzuziehen. Erst Merz in Ruhe ausrufen und wirken lassen. Dann schnell mal eben die erwartbare Niederlage kassieren und als unverschuldeten Effekt der Polarisierung zwischen AfD und SPD erklären. Strategie, das können sie im Adenauerhaus. Sie müssen sich jetzt nur noch daran halten. Vor allem einer.
In exakt zwölf Monaten ist Bundestagswahl – wenn die Ampel so lange durchhält. Am Dienstag wandte sich Merz mit ganzseitigen Anzeigen in den großen deutschen Zeitungen an die Deutschen und stellte sich in seiner neuen Rolle vor – im Ton bereits zu hundert Prozent im Kanzlermodus. Hatte Merz am Montag nach der Brandenburg-Wahl noch genüsslich der schwindsüchtigen FDP vors Schienbein getreten („Hälfte der Tierschutzpartei“), sieht es jetzt nach Schalterumlegen aus. So als würde der Parteichef von nun an jeden Morgen in den Spiegel schauen und „Reiß dich zusammen, Friedrich!“ sagen. Ob das klappt? Offen.
Es gibt schließlich genug politische Baustellen, auf denen Merz schnell mal vom Gerüst fallen oder mutwillig in den weichen Zement latschen kann. Die Sache mit dem BSW zum Beispiel: In Sachsen und Thüringen läuft es auf Koalitionen zwischen der CDU und den Wagenknecht-Leuten hinaus. Merz findet das grauenvoll, hat aber auch keine Idee, wie man sonst stabile Mehrheiten erreichen könnte. Zum Schwur dürfte es kommen, wenn die BSW-Leute in den Ländern der CDU die Pistole auf die Brust setzen. Motto: Entweder wir schreiben Putin-freundliche Koalitionsverträge oder es ist Schluss.
Ungemütlich wird es für Merz auch bei der Migrationspolitik: Merz steckt hier in einer dreifachen Zwangslage. Man darf ihm glauben, dass er das Thema gerne aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten würde, weil er genau sieht, wie die AfD damit Stimmen holt. Es gibt zudem viele in der CDU, die den Markenkern der Partei sowieso bei ganz anderen Themen sehen – bei der inneren und der sozialen Sicherheit vor allem. Aber Merz hat sich in seinem Asylduell mit dem Kanzler so exponiert, dass er nicht mehr von der Zinne herunterkommt. Bleibt zu hoffen, dass mit dem wachsenden Abstand zu den Ostwahlen auch die Einsicht im Kanzleramt, bei den Grünen und im Adenauerhaus wächst, dass ein Schulterschluss in der Asylpolitik das Beste fürs Land wäre.
Ab jetzt gilt es. Das weiß auch Merz. Ab jetzt ist Merz nicht nur Oppositionsführer mit der Lizenz zum Draufhauen – ab jetzt muss er den Deutschen beweisen, dass er Kanzler kann. Wie ernst er es mit dem neuen Ton meint, ließ sich am Mittwoch beobachten: Beim Festakt für Angela Merkel turnte Merz so souverän an allen Fallen und Fettnäpfchen vorbei, als sei es nicht Merz, sondern ein mit viel staatsmännischer KI generiertes Merz-Double.
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