Mit einem neuen Gesetz zur Intensivpflege sollten viele Menschen durch die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung in ein besseres Leben finden. Doch viele Patienten finden nicht in ein neues, besseres Leben, sondern in den Tod.
Alarmiert durch Berichte, wonach Patienten im Rahmen von Entwöhnungsversuchen reanimiert werden mussten, forderte der SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e.V. im August 2023 das Bundesgesundheitsministerium auf, die klinische Entwöhnung von beatmeten Patienten zu stoppen. Bestehende Studien zeigten, dass bei Menschen, die über einen längeren Zeitraum beatmet werden, das Risiko bei einem Entwöhnungsversuch zu versterben, erheblich anstieg. Die Mortalität bei Patienten, die länger als eine Woche beatmet wurden, lag bei über 30 %. „Unsere Betroffenen sind zu einem großen Teil über mehrere Jahre beatmet. Wenn sie dann eine Indikation für eine klinische Entwöhnung erhalten ist das eine Aufforderung zum russischen Roulette mit zwei Patronen in der Trommel und wir wollen nicht, dass die Betroffenen sich dem aussetzen müssen“, so Vorstandsmitglied, Sebastian Lemme.
Das Bundesgesundheitsministerium zeigte keinerlei Reaktion. So gab der Verband ein Rechtsgutachten am Lehrstuhl für Medizinrecht und Strafrecht an der Martin-Luther-Universität in Halle in Auftrag. „Im Rahmen unserer Forschung zu dieser klinischen Behandlung waren wir zunächst von der hohen Mortalitätsrate überrascht“, so Lehrstuhlinhaber, Prof. Henning Rosenau. „Als Hauptgrund für die hohe Mortalität sehen wir aber nicht eine fehlerhafte Krankenhausbehandlung. Vielmehr muss erkannt werden, dass bei einem Patienten, der Jahre und sogar Jahrzehnte ohne lebensbedrohliche Situation lebt, eine solche Behandlung unter Umständen gerade nicht angezeigt ist. Regelmäßig steht das Versterbensrisiko in keinem Verhältnis zu einem Leben ohne Beatmungsunterstützung. Eine Indikation zu einem klinischen Entwöhnungsprozess ist in diesen Fällen zumeist fehlerhaft und beim Versterben oder einer nachhaltigen Verschlechterung der Gesundheit möglicherweise auch strafrechtlich relevant.“
„Unser Verband wird auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem Rechtsgutachten die Fachgesellschaften, den Medizinischen Dienst sowie die Ärztekammer zu einem „Aktionsbündnis für mehr Sicherheit bei der Beatmungsentwöhnung“ einladen“, so der stellvertretende Vorsitzende des Selbsthilfeverbands, Prof. Manfred Schlich.
„Unsere Initiative ist auch erforderlich, weil wir aus den Äußerungen des Bundesgesundheitsministeriums auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion den Eindruck gewonnen haben, dass dort weiterhin kein Handlungsbedarf erkannt wird. Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, hat Mortalitätsraten von bis zu 50 Prozent genannt, aber keinerlei Aktivitäten des Ministeriums aufgezeigt, um diese Mortalitätsraten nachhaltig zu senken. Diese Untätigkeit ist für uns erschreckend“, so der Verbandsvorsitzende Karl-Eugen Siegel.
Der SelbstHilfeVerband – FORUM GEHIRN e.V. ist der Bundesverband für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und deren Angehörige. Seit seiner Gründung setzt sich der Verband für die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen ein, fördert den Erfahrungsaustausch und bietet umfassende Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und Beratungsangebote. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und ihre soziale Teilhabe zu stärken. Der Verband engagiert sich auch politisch, um die gesellschaftliche Akzeptanz und die rechtliche Stellung von Menschen mit Hirnschädigungen zu fördern. Weitere Informationen finden Sie unter www.shvfg.de.
Ansprechpartner:
Karl-Eugen Siegel, Vorsitzender, 0176 23 24 25 35, k.e.siegel@shv-forum-gehirn.de
Sebastian Lemme, Vorstandsmitglied, 0171 145 91 87, s.lemme@shv-forum-gehirn.de