Bitcoin ist als disruptive Technologie oft Ziel von Desinformationskampagnen, die meist von Vertretern etablierter Industrien gefördert werden, um ihr veraltetes Geschäftsmodell zu rechtfertigen. Doch auch die Hintermänner anderer Kryptowährungen, die sich als Konkurrenz von Bitcoin verstehen, nutzen diese Methoden und versuchen, sich als bessere Alternative zu vermarkten, indem sie angebliche Schwächen von Bitcoin in den Fokus rücken.
Besonders Ripple, das Unternehmen hinter dem Coin XRP, hat gezielt negative Bitcoin-Narrative verstärkt. Dies wurde jüngst anhand interner E-Mails deutlich, die im Rahmen des von der US-Börsenaufsicht SEC eingeleiteten Gerichtsverfahrens gegen das Unternehmen wegen des Verkaufes unregistrierter Wertpapiere öffentlich wurden. Den E-Mails zufolge hat das Ripple-Team versucht, Bitcoin in ein schlechtes Licht zu rücken, um den eigenen Coin besser dastehen zu lassen, die angebliche Dezentralität von XRP zu betonen und die Einstufung als „Währung“ – nicht als „Wertpapier“ – zu fordern.
„China kontrolliert Bitcoin“
Die E-Mails aus dem Jahr 2018 verdeutlichen, dass die Ripple-Mitarbeiter gezielt Medienkampagnen geplant haben, mit denen Bitcoin bewusst diskreditiert werden sollte. Dabei ging es darum, den dezentralen Charakter von Bitcoin zu hinterfragen und zu behaupten, dass China das Netzwerk kontrollieren könnte. Das Ripple-Team hat sogar Medienauftritte dazu diskutiert und geplant.
Ripple stellt XRP als unabhängig dar, während behauptet wird, dass chinesische Miner Bitcoin – und Ethereum, das damals noch den Mechanismus „Proof of Work“ nutzte – kontrollieren. „Damit hat die chinesische Regierung die tatsächliche Kontrolle über den Ledger“, heißt es in der E-Mail vom 5. Juli 2018.
Aufgrund des Konsensmechanismus ist XRP im Gegensatz zu Bitcoin und Ethereum, die auf einem Proof-of-Work-Ansatz beruhen, viel weniger anfällig für eine zentralisierte Kontrolle durch eine erhöhte Konzentration von Minern. […] Bitcoin wird […] immer zentralisierter: Die Tatsache, dass eine kleine Gruppe von Minern, die 51 % des Marktes kontrolliert, wesentliche Änderungen am Bitcoin-Ledger vornehmen kann, zeigt eine stärkere Zentralisierung als bei einem Konsensansatz. Und dennoch wird Bitcoin trotz dieser Zentralisierung als Währung und nicht als Wertpapier behandelt.
E-Mail vom 5. Juli 2018
Einfluss ≠ Kontrolle
Es ist faktisch richtig, dass im Jahr 2018 ein Großteil des Bitcoin-Minings in China stattfand. Der Hashrate-Anteil von China betrug mindestens 60 bis 70 Prozent – laut der Mining-Karte der Cambridge-Universität im September 2019 sogar mehr als 75 Prozent. Zudem sind die größten Mining-Pools in China ansässig, z. B. Antpool, F2Pool, BTC.com, ViaBTC, und die Hardware-Produktion wird noch heute von chinesischen Unternehmen, wie Bitmain, Micro BT oder Canaan, dominiert. Zweifellos war beziehungsweise ist ein gewisser Einfluss Chinas vorhanden.
Doch das Ripple-Team scheint Einfluss mit Kontrolle verwechselt zu haben, was passenderweise förderlich für das eigene Narrativ war. Es sollte dargestellt werden, dass Bitcoin im Kern zentralisiert und kontrolliert sei. Doch die geografische Konzentration des Minings bedeutet nicht automatisch, dass China Bitcoin kontrolliert oder manipuliert hat – geschweige denn dazu in der Lage gewesen wäre.
Die chinesische Regierung hätte zwar theoretisch Druck auf die Miner ausüben, sie regulieren oder abschalten können. Doch es gibt keine Beweise, dass China aktiv Bitcoin-Transaktionen zensiert oder das Netzwerk manipuliert hat. China hatte nie die direkte Entscheidungsgewalt über das Netzwerk. Selbst wenn chinesische Pools damals für mehr als 51 Prozent der Hashrate verantwortlich waren, gab es keine dokumentierte Manipulation des Ledgers. Zudem sind die Mining-Pool-Teilnehmer immer in der Lage, bei Auffälligkeiten oder Unstimmigkeiten innerhalb von Sekunden den Pool zu wechseln.
Wenn die chinesische Regierung Bitcoin wirklich kontrolliert hätte, hätte sie das Mining im Jahr 2021 wohl nicht im großen Maße eingeschränkt beziehungsweise „verboten“. Statt Bitcoin zu schwächen, führte Chinas „Mining-Verbot“ schließlich zu einer noch stärkeren Dezentralisierung der Hashrate und Bitcoin wurde noch robuster. Die USA haben nun den größten Hashrate-Anteil, jedoch weit weniger als China zu den Hochzeiten. Dies verdeutlicht, dass sich das Bitcoin-Mining in den vergangenen Jahren geografisch besser verteilt hat.
Das Ripple-Team hat also gezielt FUD (Fear, Uncertainty, Doubt – Angst, Unsicherheit, Zweifel) verbreitet, um XRP als bessere Alternative darzustellen.
Klarer PR-Schachzug
Aus den E-Mails geht hervor, dass sich das Ripple-Team bewusst mit dem Narrativ beschäftigt hat. Bereits existierende Meldungen zu dem Thema wurden analysiert und für das eigene Narrativ in Medienkampagnen weiter ausgeschmückt. Demnach hat Ripple die Behauptung wohl nicht erfunden, aber definitiv bewusst verstärkt und als PR-Strategie genutzt, wie aus internen E-Mails vom 16. und 17. Juli 2018 hervorgeht.
Wir werden uns darüber austauschen, was bereits über Chinas Kontrolle von Bitcoin/Ethereum geschrieben wurde, und wir werden mögliche neue Themen und Blickwinkel für die Geschichte entwickeln.
E-Mails vom 16./17. Juli 2018
Ripple hat aktiv versucht, die Medienberichterstattung in diese Richtung zu lenken, um XRP als bessere und dezentrale Alternative zu positionieren.
Die morgigen Anhörungen des Repräsentantenhauses sollten genutzt werden, um die Presse über die Kontrolle von Bitcoin/Ethereum durch China und die Dezentralisierung von XRP zu informieren.
E-Mails vom 16./17. Juli 2018
Es wurde sogar explizit gesagt, dass entsprechende Narrative bereits ausgearbeitet wurden, und darüber nachgedacht, jemanden öffentlich gegen Bitcoin auftreten zu lassen.
Die Geschichte, dass Bitcoin zentral von China kontrolliert wird, wird mit wichtigen Punkten untermauert. Umso besser, wenn wir etwas Ähnliches für Ethereum formulieren können. Wir würden diese Geschichten platzieren wollen. […] Sind wir bereit, jetzt jemanden offiziell dazu zu bringen, Bitcoin und Ethereum konkret anzugreifen?
E-Mails vom 16./17. Juli 2018
Somit belegen die E-Mails, dass Ripple die PR-Strategie ausführlich geplant und aktiv Medienkontakte gesucht hat, um das eigene China-Narrativ zu platzieren und XRP als dezentrale, regulatorisch sicherere Alternative zu vermarkten.
Weitere Kampagnen von Ripple
Nachdem 2021 die Grundlage für das China-Narrativ verschwunden war, konzentrierte sich Ripple auf die Umweltbedenken, die auf dem Energieverbrauch von Bitcoin fußen. Chris Larsen, einer der Gründer von Ripple, initiierte dafür zusammen mit Greenpeace USA die Kampagne „Change the Code, Not the Climate“ und unterstützte sie finanziell mit 5 Millionen US-Dollar – Blocktrainer.de berichtete. Mit dem Ziel, Bitcoin als Umweltverschmutzer zu stigmatisieren, wurde eine Petition für den Umstieg von Bitcoin auf „Proof of Stake“ auf den Weg gebracht und zahlreiche Aktionen durchgeführt, wie zum Beispiel die mediale Kampagne rund um den „Skull of Satoshi“. Doch mit den zunehmend nachhaltigen Energiequellen des Bitcoin-Minings verstummte auch diese Kampagne. Somit mussten die Kritiker von Bitcoin und das Ripple-Team auch auf dieses Narrativ verzichten.
Der opportunistische Charakter von Ripples Kampagnen zeigt sich an der aktuellen Strategie des Unternehmens. Während sich Ripple noch vor einigen Jahren die internationale Reichweite und die Distanz zu staatlicher Regulierung auf die Fahne geschrieben hat, versucht Ripple nun XRP als „amerikanische“ beziehungsweise „nationale“ Kryptowährung zu positionieren, um sich als patriotische Kryptowährungen darzustellen und somit die Unterstützung der Trump-Administration zu gewinnen.
Anti-Bitcoin-Marketing im Krypto-Space
Die PR-Strategien von Ripple sind zwar nicht der Grund für den Rechtsstreit mit der SEC gewesen. Doch durch die im Rahmen des Prozesses öffentlich gewordenen E-Mails wird deutlich, dass Ripple mit gezielten Medienkampagnen versucht hat, Bitcoin zu diskreditieren und somit den eigenen Coin in ein besseres Licht zu rücken. Dass die von Ripple und Co. verbreitete FUD heute kaum noch im Diskurs stattfindet, zeigt, dass die positive Entwicklung von Bitcoin den Kritikern zunehmend den Wind aus den Segeln nimmt.
Es ist ein spannendes Phänomen, dass es gerade Unternehmen aus der Krypto-Industrie sind, die im mindesten irreführende Behauptungen bezüglich Bitcoin verbreitet haben oder dies immer noch tun. Da die Hintermänner von Coins wie XRP teilweise auf großen Geldsummen sitzen, gilt es immer noch genau zu beobachten, wie diese Einfluss auf den Diskurs oder sogar die Politik nehmen.