Von Thorsten Knuf
Am Ende ging es dann rasend schnell. Die Union wird mit CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzlerkandidat in den kommenden Bundestagswahlkampf ziehen. Markus Söder, Ministerpräsident in Bayern und CSU-Vorsitzender, begräbt seine Ambitionen. Kein Drama, kein wochenlanges Palaver, kein Machtkampf auf offener Bühne: Die Union hat sich einen Showdown erspart, der das Zeug gehabt hätte, die beiden Schwesterparteien gegenüber der siechen Ampel in die Defensive zu bringen.
Söder fügt sich, weil er eingesehen hat, dass er ziemlich allein ist auf weiter Flur. Nachdem sich am Montag NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst für Merz ausgesprochen hatte, war klar, dass diesem die Kanzlerkandidatur kaum noch zu nehmen war. Ein Jahr ist es noch bis zur nächsten Bundestagswahl – sofern das gegenwärtige Regierungsbündnis hält. Spätestens seit Dienstag ist der Wahlkampf eröffnet. Bei CDU und CSU müssen die zuständigen Gremien noch offiziell über die Personalie Merz befinden, was aber Formsache sein dürfte.
Merz kommt das Verdienst zu, seine Partei nach dem Machtverlust 2021 wieder geeint zu haben. Als CDU-Chef hat er den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur, auch wenn Söder unter den Wählern mehr Sympathien genießt. In den Umfragen ist die Union der Kanzlerpartei SPD meilenweit enteilt. Merz müsste sich schon ziemlich dumm anstellen, um den Wahlsieg 2025 noch zu verspielen.
Allerdings ist er ein Politiker, der sich nicht in allen Lebenslagen im Griff hat und zu Fehlern neigt. Genau darauf setzt Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD), der am Mittwoch aus Kasachstan schon süffisant anmerkte, es sei ihm recht, wenn Merz für die Union ins Rennen geht. Zur Wahrheit gehört auch: Angesichts der miserablen Vorstellung, die die Ampel seit geraumer Zeit abliefert, müsste für die Union in den bundesweiten Umfragen derzeit eigentlich viel mehr drin sein als 33 Prozent.
Und Markus Söder? Der hat jetzt wieder den Kürzeren gezogen. Vor der Bundestagswahl 2021 musste er dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, die Kanzlerkandidatur überlassen. Danach zeigte Söder nicht etwa Größe, indem er Laschet nach Kräften unterstützte. Vielmehr sabotierte er dessen Wahlkampf, wo immer er konnte. Der Umstand, dass die Union dann nach 16 Jahren Angela Merkel das Kanzleramt räumen musste, hat auch mit dem damaligen Verhalten Söders zu tun. In der CDU haben sie das bis heute nicht vergessen.
Markus Söder ist die Flatterhaftigkeit in Person. In seinem Bild von der Welt und sich selbst ist eigentlich nicht vorgesehen, dass er zurücksteckt, um jemand anderem zum Erfolg zu verhelfen. Für Friedrich Merz erwächst daraus ein erhebliches Risiko. So, wie Söder ehedem immer wieder Laschet mit öffentlichen Äußerungen Stöcke zwischen die Beine warf, kann er es fortan jederzeit bei Merz tun – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Allein der Umstand, dass Söder eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl kategorisch ausschließt, ist für Merz bereits heute eine schwere Hypothek.
Es wäre ein großes Wunder, wenn man in den nächsten zwölf Monaten einen vollkommen geläuterten CSU-Chef erleben würde. Einen, der sich als Teil eines Teams versteht und all seine Kraft für die gemeinsame Sache einsetzt. Einen, der damit leben kann, nur die Nummer zwei zu sein und wohl niemals die Nummer eins zu werden. Kurzum: einen Politiker, der gar nichts mit dem Markus Söder zu tun hat, wie man ihn seit 30 Jahren kennt.
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