Überraschend kommt der Schritt nicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte. Angesichts der hierzulande schwächelnden Wirtschaft hatten Firmen und einige Ökonomen auf einen höheren Zinsschritt gehofft. Klar ist aber: Es ist die oberste Aufgabe der EZB, Preisstabilität im Euroraum zu garantieren. Die Hoffnung auf einen schnellen konjunkturellen Aufschwung muss für sie zweitrangig sein.
Zuletzt besserte sich die Lage. Die Inflation näherte sich im Euroraum im August mit 2,2 Prozent bereits der Zielmarke von 2 Prozent an. In Deutschland lag die Teuerungsrate sogar nur noch bei 1,9 Prozent. Das sind gute Nachrichten. Für völlige Entwarnung ist es aber noch zu früh. Die Kerninflation, bei der besonders schwankungsintensive Güter aus dem Warenkorb herausgerechnet werden, hält sich relativ hartnäckig knapp unter 3 Prozent und damit oberhalb der Zielmarke. Eine erneute Fehleinschätzung wie nach Beginn des Ukraine-Kriegs und der darauf folgenden Energiekrise darf sich die EZB nicht mehr leisten. Damals hob sie zu spät und zu langsam die Zinsen an, die Inflation geriet aus dem Ruder. Die Folgen spüren Verbraucher bis heute im Portemonnaie.
Die EZB ist gut beraten, sich nicht zurückzulehnen und Vorsicht walten zu lassen. Natürlich würden der deutschen Wirtschaft niedrigere Zinsen helfen. Aber auch hier gilt: Die hiesigen Probleme hängen nicht nur mit der Geldpolitik der Frankfurter Notenbanker zusammen, sie sind zu großen Teilen hausgemacht. Und auch wenn es sich um Europas größte Volkswirtschaft handelt, kann die EZB darauf nur bedingt Rücksicht nehmen. Mit dem jetzigen Schritt ist es noch nicht getan. Die EZB wird in den kommenden Monaten die Zinsen weiter senken. Für Sparerinnen und Sparer heißt das: Sie sollten aktiv werden, um auch nach Abzug der Inflationsrate noch eine reale Rendite zu erhalten und ihr Erspartes für sich arbeiten zu lassen.
Dass es mehr als zwei Jahre nach der ersten Zinsanhebung immer noch zahlreiche Banken in Deutschland gibt – meist Sparkassen und Genossenschaftsbanken -, die gar keine Zinsen zahlen, ist schlicht eine Frechheit. Zumal es besonders häufig diejenigen trifft, die seit Jahrzehnten ihrer Hausbank treu sind, ihrem Bankberater vertrauen und ein äußerst positives Verhältnis zu ihrem Geldinstitut vor Ort haben. Oft gehen somit Menschen, die nicht digitalaffin sind, um eine schnelle Kontoeröffnung online vorzunehmen, oder die sich vor der Beschäftigung mit dem Thema Geldanlage scheuen, leer aus.
Aber auch wenn die Zinsen nun wieder sinken: Eine Nullzinspolitik sollten sich Sparerinnen und Sparer derzeit von keiner Bank gefallen lassen. Natürlich gibt es oft gute Gründe, warum man seiner Hausbank nicht den Rücken kehren möchte. Das muss man auch nicht. Viele Banken bieten beispielsweise kostenfreie Tagesgeldkonten an, ohne dass ein Girokonto nötig ist. Hier kann der Wechsel lohnen, ohne dass man das Konto bei der bisherigen Hausbank auflöst.
Hinzu kommt: Nie war es so einfach, Geld breit gestreut und ohne große Gebühren am Aktienmarkt zu investieren. Wer Zeit mitbringt und auch Rückschläge aushalten kann, der kann beispielsweise mit ETF-Sparplänen auf eine langfristige Rendite hoffen, die deutlich über der Teuerungsrate liegt. Je tiefer die Zinsen sinken, desto eher sollten Sparer, die in den vergangenen Monaten ihr Erspartes auf dem Tagesgeldkonto geparkt haben, über eine Diversifikation nachdenken.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 – 878
bmcvd@morgenpost.de