Olaf Scholz kann Kanzler. Aber nur, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Das war so bei seiner historischen Doppel-Wumms-Rede vor fast zwei Jahren. Das war so bei der Generaldebatte 2023 – und nun wieder. Der sonst so wortkarge und emotionslose Sozialdemokrat wurde bei den Themen Asyl und Migration laut und deutlich. So würde man sich Scholz häufiger wünschen. Als Führungskraft.
Dass er diese sonst bestens behütete und verborgene Seite immer nur unter größtem Druck zeigt, ist ein wesentliches Problem seiner Kanzlerschaft. Scholz kämpft um sein Amt. Er kämpft um die Führungsrolle in seiner fast schon gescheiterten Ampelkoalition, die er zuletzt als einen „Haufen kleiner Kinder“ bezeichnet hatte. Er kämpft natürlich gegen die CDU, die die Ampel in der Asyldebatte vor sich her treibt. Und er kämpft um seine Position in der eigenen Partei. Dem Bundeskanzler wird seit den katastrophalen Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen klar geworden sein, dass er sich ändern muss. Dafür könnte es aber schon zu spät sein.
Und dann ist da noch sein Kontrahent Friedrich Merz. Der designierte Kanzlerkandidat der CDU brachte sich durch den geschickten taktischen Kniff, erst Alexander Dobrindt ans Rednerpult zu schicken, um nach Scholz zu sprechen, in die Vorhand. Merz gab sich als Staatsmann und konnte auf den Bundeskanzler reagieren. Natürlich vor allem bei der Asyl- und Migrationspolitik, aber auch beim Thema Wirtschaft. Denn bei aller Kampfeslust hatte Scholz unter anderem vergessen, auf die Krise bei Volkswagen einzugehen. Wieder einmal kein gutes Zeichen von Scholz in Richtung der Industrie.
Auch wenn die Generaldebatte im Zeichen des Duells Scholz gegen Merz stand, darf die gesellschaftlich und politisch drängendste Frage dieser Wochen nicht untergehen: die Debatte um die Asylpolitik. Denn sowohl die Ampelparteien als auch die CDU hätten bei ihrem gemeinsamen Gipfel die Gelegenheit gehabt, danach Seite an Seite vor die Kameras zu treten und der Öffentlichkeit ein gutes Ergebnis entschlossener, pflichtbewusster und handlungsfähiger Politik zu präsentieren. Dabei wäre eben eine solche Lösung auch ein starkes Zeichen in die Gesellschaft hinein gewesen. Nun ist eine Einigung ausgeschlossen. Und das birgt vor der anstehenden Landtagswahl in Brandenburg Gefahren für alle Seiten.
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