MVFP-Vorstandsvorsitzender Philipp Welte auf dem Distribution Summit 2024: Einzelverkauf von Zeitschriften muss partnerschaftlich, zukunftsfest und finanzierbar organisiert werden | Edeka-Chef Mosa mit klarem Bekenntnis zum chancenreichen Zeitschriftensortiment im LEH | Digitale Vertriebserlöse über 1 Mrd. Euro | Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene Verträge muss vom Tisch | Nachweispflichten der Entwaldungsverordnung vollkommen unklar | Medienpolitik muss Expansionsdrang der Plattform-Giganten und des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks im digitalen Raum einen Riegel vorschieben
Hamburg, 3. September 2024 – Vor 200 Pressevertriebsexperten betonte Philipp Welte als Vorstandsvorsitzender des MVFP auf dem heutigen MVFP Distribution Summit die Bedeutung der freien Presse für die pluralistische Demokratie in Deutschland: „Die Stabilität dieses freien, glücklichen, friedlichen Landes, in dem wir groß geworden sind, diese wunderbare offene, vielfältige Demokratie, ist sehr konkret in kritische Gewässer geraten.“ Auch die Wahlen in Thüringen und Sachsen hätten gezeigt, dass das Vertrauen der Menschen in die Demokratie und ihre Institutionen dramatisch sinke. Die freie Presse mit ihrem Auftrag, die Menschen mit verlässlichen Informationen zu versorgen, werde damit umso wichtiger.
Für die freie Presse sei die Reform des Grosso-Systems eine entscheidende und unverzichtbare Maßnahme auf dem Weg in die Zukunft, unterstrich der MVFP-Vorstandsvorsitzende: „Unverändert entscheidet der Verkauf unserer Zeitschriften – und zwar in erster Linie der Einzelverkauf auch in Zukunft über den wirtschaftlichen Erfolg der Verlage – und damit über die Zukunft der Pressevielfalt in unserem Land.“ Der Pressevertrieb sei angesichts der massiven Veränderungen im Medienmarkt und angesichts insgesamt sinkender Umsätze in seiner jetzigen Form nicht mehr finanzierbar und nicht zukunftsfähig.
„Wir müssen alles daransetzen, den Pressevertrieb zukunftsfest aufzustellen – indem wir das bisherige Modell grundlegend reformieren.“ Man müsse weiter konsolidieren und harmonisieren, erheblich in Technologie und Automatisierung investieren und damit die Systemkosten weiter senken. Und das müsse man tun, ohne die essenziellen Grundlagen des Pressevertriebs zu verändern: „Auch in Zukunft muss das System flächendeckend, diskriminierungsfrei und der freie Marktzugang gewährleistet sein – für jeden Titel jeder Auflagengröße“, betonte der Vorstandsvorsitzende des MVFP.
Welte kritisierte auf dem 16. Distribution Summit eine Politik, die sich „medienpolitisch im sanften Dauerschlaf“ befinde. Das zeige sich aktuell an den nicht nachvollziehbaren Plänen der Bundesregierung, „die Axt an das Direktmarketing anzulegen und eine Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene Verträge einführen zu wollen.“ Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, werden die Erfolgsaussichten des Telefonmarketings zur notwendigen Erhaltung der Abonnement-Auflagen massiv negativ beeinflusst. Auch die „vollkommen unklaren und bürokratie-getränkten Nachweispflichten im Kontext der Entwaldungsverordnung der EU – garniert mit unmöglich engen Zeitfristen“ kritisierte Welte mit deutlichen Worten. Die seit dem Frühjahr zugesagte Einordnung der Welt in Risikogebiete liegt bisher nicht vor. Auch die für Juli versprochene Handreichung der EU-Kommission ist bisher nicht verfügbar. „Die Politik scheint bei vielen ihrer Gesetze und Verordnungen nicht zu verstehen, welchen Schaden sie der privat finanzierten Presse damit zufügt“, betonte Welte.
Das Pressesortiment ist elementarer Bestandteil eines Edeka-Marktes
Für den Vorstandsvorsitzenden der EDEKA-Zentrale, Markus Mosa, spielt das Presseregal als chancenreiches Sortiment auch künftig eine wichtige Rolle für die Flächenproduktivität und -attraktivität in den Märkten. „Ein gut gepflegtes Presseregal gehört zwingend in einen Edeka-Markt“, erklärte Mosa. Für die Zukunft gehe es darum, Mehrwerte für gemeinsame Zielgruppen zu schaffen und er ermunterte die Verlage „im Vertrieb mehr lokale Differenzierung zu wagen“, unterstrich Mosa in seiner Keynote.
Paid Content, KI-Einsatz und die Herausforderungen im Pressevertrieb
Die Herausforderungen des Vertriebsgeschäfts in Zeiten von KI und zahlreichen Restriktionen bei der Datennutzung standen im Mittelpunkt der bis zur Mittagszeit folgenden Vorträge. Den Anfang machte Myriam Karsch, Managing Partner des Kouneli Verlags sowie Publisherin von Playboy und Sports Illustrated: „Beim Playboy kamen 2023 bereits 84 Prozent der Umsätze aus dem Nutzer- und Lesermarkt. Durch Copypreis-Erhöhungen konnten wir trotz kleinerer Mengen im Einzelverkauf die Umsätze steigern.“ Um die digitalen Umsätze zu erhöhen, soll künftig eine Paywall auf der Website eingeführt werden.
Für Henrieke Hentschel, Division Manager Customer bei OTTO, liegt das Erfolgsgeheimnis jedes Umsatzwachstums in der möglichst genauen Kenntnis der Kundenwünsche und der individuellen Steuerung der Customer Experience mit Hilfe ausgeklügelter Data Science-Systeme. Mit einem eng mit CX verzahnten CRM sorgt sie mit ihrem Team für größtmögliche Transparenz über den Informations- sowie Kaufprozess und für positive Einkaufserlebnisse der OTTO-Kunden. „Wir ermöglichen einen 360-Grad-Blick auf unsere Kunden und sorgen mit unserer ‚Waagen-Funktion‘ für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Unternehmens- und Kundeninteressen“, so Hentschel.
Der Audience Analytics Manager bei der Nordwest Mediengruppe, Dr. Michael Vauth, demonstrierte den Aufbau der Datenarchitektur für das Tracking redaktioneller Inhalte im kuratierten digitalen Angebot. Um den Bereich Paid Content und E-Paper offensiv zu stärken, blickt Vauth von der redaktionellen und der Content-Perspektive auf die Daten der NWZ-Nutzerschaft. Die Datenarchitektur setzt sich aus den Bereichen Content, Tracking und Abonnenten zusammen. So kann die Redaktion jederzeit erkennen, wie der einzelne Beitrag mit welchem Engagement-Raten genutzt wird und wo gegebenenfalls nachgesteuert werden muss.
pv digest-Herausgeber Markus Schöberl moderiert durch den Veranstaltungstag.
Pressekontakt:
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