Wenn nach der zweiten Runde der Parlamentswahl in Frankreich von einer Sensation die Rede ist, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass mit einem Sieg des neuen Linksbündnisses selbst Optimisten nicht gerechnet haben dürften. Und richtig ist auch, dass die Rechtsextremisten in Schach gehalten wurden.
Zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass viele Kandidaten der Neuen Volksfront mit Sozialisten, Sozialdemokraten, Grünen und Kommunisten schon im ersten Wahlgang gut im Rennen lagen. Vor allem, weil diese Parteien in kürzester Zeit zum Bündnis zusammenfanden und alle Differenzen fürs Erste beiseiteschoben, um den Vormarsch der Rechten zu stoppen. Ein für Deutschland schier unvorstellbarer Vorgang.
Nun aber steht die Frage, was Macron aus der neuen politischen Situation macht. Für ihn hat sich das riskante Manöver, nach der für ihn katastrophalen Europawahl das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, immerhin etwas mehr ausgezahlt, als viele erwarteten. Und auch für das ganze Land sowie für Europa: Frankreich wird keine antieuropäische, nationalistische Regierung erhalten, es wird kein zweites Italien.
Macron schuldet dem Linksbündnis viel, denn diesem hat er es zu verdanken, dass der Rest seiner Amtszeit nicht zum Spießrutenlauf unter Le Pens Kommando wird. Allerdings hatte Macron schon vor der Stichwahl angekündigt, keinesfalls mit Melenchons Linkspartei La France Insoumise zu regieren. Am Sonntagabend herrschte langes Schweigen aus dem Élysée-Palast. Jetzt muss Macron zeigen, wie ernst es ihm mit einem klaren Kurs gegen rechts ist oder ob es nur Machttaktik war. Und ob er diejenigen brüskieren will, die Le Pens Durchmarsch maßgeblich verhindert haben.
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