Wahlkämpfe haben ihre eigene Dynamik – und bis Herbst 2025 läuft noch viel Wasser den Rhein hinunter. Doch es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Sven-Christian Kindler, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, also ein Mann der Zahlen, ein Ergebnis von 25 Prozent für seine Partei bei der nächsten Bundestagswahl für machbar hält. Das wäre das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten für die Ökopartei – und das mitten in einem gesellschaftlichen Klima, das sich so deutlich gegen eine Bundesregierung richtet wie nie zuvor.
Realitätsverlust könnte man eine solche Einschätzung nennen, mit dem Kindler auf das ebenfalls wenig gegenwartsbezogene Verhalten der Außenministerin reagiert. Was reitet Annalena Baerbock, am Rande des Nato-Gipfels, also vor den versammelten Führern der westlichen Welt, in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN (und nicht etwa im heimischen ZDF) ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur zu erklären? Als wäre das derzeit ein Thema, das die Menschen bewegt; als wäre es nach 2021, als sie Habeck den Vortritt abrang und die Grünen mit ihr dann 14,7 Prozent holten, eine anstehende Entscheidung; und überhaupt, jetzt, in dieser Zeit?
Ein Coup, wie mancher Analyst mutmaßt, ist darin nur schwer zu erkennen. Auch nicht, dass sie so Führungsstärke zeigt und das Heft des Handelns in der Hand behält. Es spricht eher dafür, dass es eine zwar kalkulierte, aber wenig reflektierte Äußerung war. Denn auch ihre Begründung scheint wenig durchdacht: „Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein“, sagte sie, wolle sie angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft „weiterhin voll und ganz“ ihrer aktuellen Aufgabe widmen. Kann dann Scholz noch Kanzlerkandidat für die SPD sein – oder Biden US-Präsidentschaftskandidat?
Ihr Engagement für die Krisenherde der Welt in Ehren – in der Summe hinterlassen viele Auftritte der Ministerin Stirnrunzeln: angefangen von ihrem NDR-Interview im November 2020, bei dem sie betonte, Habecks Themen seien mehr „Hühner, Schweine, Kühe melken“, sie dagegen komme „ausm Völkerrecht“; von den Ankündigungen einer feministischen Außenpolitik über ihre Englisch-Patzer („bacon of hope“) bis hin zum Nachtflug von Frankfurt nach Luxemburg und ihrer Stylistin, für die der Steuerzahler jedes Jahr eine sechsstellige Summe ausgibt.
Eigentlich stünde ihr Demut am besten zu Gesicht. Eine 11-Prozent-Partei braucht keinen Kanzlerkandidaten – nur einen Spitzenkandidaten. Alles andere ergibt sich nach der Wahl. Punkt. / Bernd Loskant
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