Für Käuferinnen und Käufer eines batteriebetriebenen Elektroautos (BEV) ist der Preis aktuell das wichtigste Kaufkriterium. Als besonders wichtige Kriterien bei der Kaufentscheidung werden zudem die Reichweite, der Stromverbrauch sowie das Vertrauen in die Qualität genannt. In beiden Fällen genießen europäische Hersteller einen Vorsprung vor preisgünstigeren chinesischen Alternativen. Dies zeigt der neue Attraktivitätsindex Elektromobilität von BearingPoint und dem Handelsblatt Research Institute.
Der deutsche Neuwagenmarkt für Elektro-Pkw erholt sich nur schwer von seinem Nachfrageeinbruch zu Jahresanfang, nachdem die Bundesregierung 2023 zunächst die gewerbliche und später überraschend auch die private Kaufprämie für Elektroautos gestrichen hat. Denn BEV-Kaufinteressent:innen schauen vor allem auf den Preis.
Dieser wird vor allen anderen Gründen als wichtigstes Kaufkriterium genannt, das zeigt eine aktuelle Umfrage der Management- und Technologieberatung BearingPoint zusammen mit dem Handelsblatt Research Institute unter Autofahrer:innen in Deutschland. Durchgeführt wurde die Umfrage als Basis für den neuen Attraktivitätsindex Elektromobilität. Dieser bildet die Attraktivität batterieelektrischer Pkw (BEV) für potenzielle Käufer:innen in Deutschland ab.
Spannungsfeld Elektromobilität: Preis versus Vertrauen
Neben dem Kaufpreis sind die Reichweite, der Stromverbrauch (Stromkosten pro 100 km) sowie die Qualität der BEV weitere wichtige Kriterien bei der Kaufentscheidung. Hier werden beispielsweise die Qualitätsversprechen europäischer Hersteller deutlich positiver eingeschätzt als bei den chinesischen OEM, die hingegen beim Preis vorne liegen.
„Noch ist der Preis das entscheidende Kriterium beim Kauf von Elektrofahrzeugen. Es ist ein Spannungsfeld entstanden, in dem chinesische Autohersteller einen Kostenvorteil genießen, der jedoch durch die EU-Strafzölle sowie durch mangelndes Vertrauen in die Qualität der Fahrzeuge infrage gestellt wird. Auf der anderen Seite profitieren die etablierten deutschen OEMs von ihrer starken Marke und ihrem Service-Netz, doch auch dieser Vorteil ist nicht in Stein gemeißelt. Daher stehen sowohl die chinesischen als auch die deutschen Hersteller vor der Herausforderung, neue Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, um ihre Position auf dem Markt zu stärken,“ sagt Manuel Schuler, Partner im Bereich Automotive bei BearingPoint.
Große Unterschiede je nach Altersgruppe
Weitere Ergebnisse der Umfrage zeigen unterschiedliche Prioritäten je nach Altersgruppe: Für ältere Personen sind Faktoren wie Preis, Reichweite und Ladegeschwindigkeit wichtiger bei der BEV-Anschaffung als für jüngere Personen – diese legen mehr Wert auf eine schnellere Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Gleichzeitig ist das Vertrauen der jüngeren Generation in die BEVs chinesischer OEM höher als bei den älteren Käufer:innen. In Zukunft dürften insofern die chinesischen Hersteller hier insgesamt an Attraktivität zulegen.
Neben den Umfrageergebnissen fließen in den Attraktivitätsindex Elektromobilität verschiedene Parameter wie etwa Preis, Reichweite, Ladegeschwindigkeit, Stromkosten pro 100 Kilometer und Ladesäulendichte ein, die nach der Bedeutung für die Kaufentscheidung unterschiedlich gewichtet werden. Grundlage sind dafür Fahrzeugmodelle unterschiedlicher Hersteller, die aktuell oder künftig in Deutschland gefragt sind und welche die verschiedenen Preissegmente abbilden.
VW vorn, chinesische Marken abgeschlagen
Der Index startet im ersten Jahr mit einem Stand von 100 Punkten. Hier werden Veränderungen der Attraktivität erst im Zeitverlauf ersichtlich. Zugleich werden allerdings auch die Werte für die betrachteten Marken ausgewiesen.
Dort zeigt sich – bei einem Abgleich mit den Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes für das erste Halbjahr 2024 – eine Parallele: Volkswagen liegt auf Platz 1. Hier stimmt das Gesamtpaket. Zwar ist Volkswagen nur bei wenigen Parametern wie der Servicestellenzahl oder den Crashtestergebnissen ganz vorn, in Summe über alle relevanten Kriterien hinweg bietet der Hersteller allerdings die höchste Attraktivität für potenzielle Käufer:innen.
Der einstige BEV-Pionier Tesla liegt hingegen auf Platz 4 und ist damit wie bei den Zulassungszahlen etwas abgeschlagen. „Tesla ist bei der Elektromobilität nicht mehr das Maß der Dinge. Gerade bei den technischen Parametern stehen die deutschen OEMs mittlerweile besser da. Außerdem genießen sie bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein höheres Vertrauen in ihre Qualität“, sagt Dr. Sven Jung, Director Economic Analysis & Financial Planning des Handelsblatt Research Institute.
Auf den Positionen 2 und 3 liegen Audi und Mercedes-Benz. Damit positionieren sich die beiden deutschen Premiumhersteller deutlich vor BMW auf Platz 7, auch wenn der bayerische Autobauer bei Verbraucher:innen höchstes Vertrauen in Qualität und Innovation genießt. Die drei attraktivsten Hersteller sind damit diejenigen, die ihren Kund:innen unter anderem das mit Abstand größte Service- und Werkstattnetz bieten. Abgesehen von Opel weisen alle deutschen OEMs eine höhere Attraktivität auf als der Gesamtindex über alle Marken hinweg.
Die geringste Attraktivität weisen die chinesischen Hersteller auf. Sie können zwar mit im Schnitt preisgünstigeren Modellen punkten, dies reicht aber nicht aus, um ihren Rückstand bei den anderen Parametern aufzuholen. „Allerdings ist dies nur eine Momentaufnahme. Mit der Zeit könnte sich dies ändern, wenn die Hersteller sich technologisch weiter verbessern, ihr Servicenetz ausbauen oder andere Dienstleistungen wie zum Beispiel einen mobilen Service etablieren. Das würde wiederum das Vertrauen der Käuferinnen und Käufer stärken. Eine Rolle spielt dabei sicherlich auch die Markenbekanntheit“, so BearingPoint-Experte Manuel Schuler.
Asiatische Marken holen auf
Noch ein weiterer Aspekt dürfte sich in Zukunft ebenfalls positiv für die chinesischen Hersteller auswirken. Nicht nur, dass jüngere Generationen offener gegenüber Elektrofahrzeugen chinesischer OEMs sind. Gleiches gilt für diejenigen, die bereits ein BEV besitzen. Sie sind offen für die Leistungsversprechen und Innovationen chinesischer OEMs. „Erfahrene BEV-Besitzer zeigen sich offener für die Leistungsversprechen und Innovationen chinesischer OEM. Neueinsteiger greifen lieber zu einem deutschen Hersteller, um auf Nummer sicher zu gehen“,ergänzt Dr. Sven Jung.
Allerdings haben nicht alle OEMs aus Asien einen schweren Stand bei den Verbraucher:innen. So weist der südkoreanische Hersteller Hyundai sogar noch eine höhere Attraktivität als BMW, Opel und Renault auf. Im Gegensatz zu den chinesischen Marken ist Hyundai schon länger auf dem deutschen Markt vertreten und damit bekannter sowie mit größerem Servicenetz ausgestattet. Dazu kommen auch technisch bessere Modelle.
Grundsätzlich zeigt sich in der Umfrage allerdings noch eine große Abneigung gegenüber der Elektromobilität. Fast 75 Prozent der befragten Autofahrer:innen besitzen weder ein BEV noch ist eine Anschaffung geplant. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Ziel von 15 Millionen Elektroautos in Deutschland bis 2030 erreicht werden kann.
Über das Handelsblatt Research Institute (HRI)
Das Handelsblatt Research Institute (HRI) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut unter dem Dach der Handelsblatt Media Group. Es erstellt wissenschaftliche Studien im Auftrag von Kunden wie Unternehmen, Finanzinvestoren, Verbänden, Stiftungen und staatlichen Stellen. Dabei verbindet es die wissenschaftliche Kompetenz des 20-köpfigen Teams aus Ökonom:innen, Sozial- und Naturwissenschaftler:innen, Informationswissenschaftler:innen sowie Historiker:innen mit journalistischer Kompetenz in der Aufbereitung der Ergebnisse. Es arbeitet mit einem Netzwerk von Partner:innen und Spezialist:innen zusammen. Daneben bietet das Handelsblatt Research Institute Desk-Research, Wettbewerbsanalysen und Marktforschung an.
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