After the gold rush – Banken auf der Erfolgswelle.
Das gegenwärtig hohe Zinsniveau führt bei fast allen Banken zu Rekorderträgen. Nach Jahren des Niedrigzinses kommt dieser Ertragsregen genau zur richtigen Zeit. Verständlich, dass viele Banken diesen eindrücklichen Moment des Erfolges ausgiebig auskosten und sich für das Erreichte feiern. Als Mitarbeiterin des Jahres 2023 bietet sich aber eher Christine Lagarde an, die über die Zinspolitik der EZB diese Wohltat zu verantworten hat.
Dennoch ist Vorsicht geboten. Die Zinswende wird nicht ewig anhalten. Zu perspektivisch zurückgehenden Zinsüberschüssen kommen anhaltende operative Herausforderungen (komplexe Bankorganisationsmodelle, fehlende Digitalisierung, IT-Investitionsstau, …) sowie der demografische Wandel und ein herausfordernder Wettbewerb im Retail Banking.
Im aktuellen Retail Banking Kompass 2024 analysiert MOONROC die Einflussfaktoren und Trends und zeigt, wie Banking in Zukunft funktionieren kann.
ERGEBNISSE BANKENSTUDIE MOONROC (Auszug): Retail Banking Kompass 2024
AFTER THE GOLD RUSH – BANKING NACH DER ZINSWENDE
Die Zinswende, eingeleitet durch die EZB in 2022, hat zu einem unverhofften Geld- und Ertragsregen bei (fast) allen Banken in Deutschland geführt. Die Karten im Markt werden neu gemischt. Zinslastige Häuser haben in kürzester Zeit einen märchenhaften Aufschwung erfahren. Galten Kundeneinlagen und profanes Kundengeschäft im Niedrigzinsfeld noch als Belastung, sind sie nun der Garant für Zinsüberschüsse in ungeahnten Höhen. Ein Wirtschaftswunder 2.0, speziell für Banken.
DIGITALBANKEN UND NEOBANKEN ZÜNDEN TURBO – AND THE WINNER IS?
Ein höheres Zinsniveau bietet grundsätzlich mehr Optionen für wachstumsfokussierte Banken, Zinsspreads zu nutzen und aggressive Angebotskonditionen abzubilden. Es ist richtig, dass sich derzeit fast alle Banken ergebnistechnisch gut entwickeln. Richtig ist aber auch, dass sich parallel dazu einige neue Spieler in Lichtgeschwindigkeit weiterentwickeln. Die neuen Banking Superstars haben bewiesen, dass sie auch unterschiedliche zinspolitische Rahmenbedingungen erfolgreich meistern können. Einige der neuen Spieler überholen gar etablierte Banken, ohne dass diese es wirklich mitbekommen. Es scheint fast so, als wäre die jetzige Generation der FinTechs gekommen um zu bleiben.
Die aktuelle Marktsituation eröffnet auch Wettbewerbern mehr Wege, Nadelstiche zu setzen und Marktanteile zu gewinnen. Während einige Banken damit beschäftigt sind, sich für ihre zinspolitischen Erfolge ausgiebig feiern zu lassen, haben viele Direktbanken und einige neue Spieler längst wieder auf Angriff geschaltet.
TRÄGHEIT DER KUNDEN ALS WETTBEWERBSVORTEIL
Als Trägheit wird der Widerstand eines Körpers bezeichnet, den er einem von außen kommendem Impuls entgegensetzt. Physikalisch ist das Trägheitsgesetz im 1. Newtonschen Axiom definiert. Es beschreibt eine Kraft, die einen Körper in seinem Ruhezustand belässt.
Viele Banker kennen und schätzen das Trägheitsgesetzt auch in einem anderen Kontext. Einen trägen Kundenstamm sein Eigen zu wissen ist in vielerlei Hinsicht als Wettbewerbsvorteil einzustufen und wird in Branchentreffs wohlwollend goutiert.
Als träge Kunden gelten diejenigen Kunden, die, egal was passiert, einfach nichts tun. Nichts bringt sie aus der Ruhe. Ob große prozessuale Verfehlungen der Bank, ob signifikante Anhebung der Gebühren, ob das Nicht-Partizipieren-Lassen an den Zinserhöhungen, träge Kunden halten die Füße still und bewegen sich einfach nicht. Folglich sind träge Kunden für viele Banken ein wichtiger Stabilitätsanker. Diese Kunden sind mit wenig zufrieden. Banking liegt nicht in ihrem Hauptinteresse.
In Zeiten der Zinswende mutieren diese langweiligen und trägen Kunden zu Goldeseln. Banken müssen gegenüber diesen Kunden die steigenden Zinserträge nicht weiterreichen und können die neue Marge zu 100% bei sich verbuchen. Geldverdienen im Schlaf. Die Kunden schlafen, die Bank verdient.
Trotz aller Vorteile für Banken ergeben sich zwei Herausforderungen mit trägen Kunden. Erstens kann man sich nicht wirklich sicher sein, ob die Trägheit anhält. Wird der Druck und Impuls von außen zu groß, drohen auch ansonsten stabile Systeme zu kippen. Wie schnell das gehen kann, haben wir in den fast Bankpleiten Anfang 2022 gesehen, als bei verschiedenen etablierten Banken großflächig Einlagen abgezogen wurden und diese Banken innerhalb weniger Wochen in Schieflage geraten sind. Eine allzu große Wette auf die Trägheit der eigenen Kunden muss demnach gut überlegt sein. Zweitens bergen träge Kunden den Nachteil, dass diese hochresistent gegenüber zusätzlichen Produktkäufen sind. Die Bewegungsarmut bezieht sich auf alles. Möchte eine Bank ihre Provisionsumsätze mit Neuabschlüssen ankurbeln, sind diese Kunden meist schwer erreichbar.
DIE NEUE FLAGSHIP-FILIALE IST DAS SMARTPHONE – DAS SMARTPHONE ABER GEHÖRT DEN BIGTECHS
Die Revolution der Bankindustrie schreitet weiter voran. Die großen amerikanischen Technologieanbieter geben hierbei die Taktung vor. Banken nutzen die entwickelten Technologien und Möglichkeiten, um ihren Aktionsradius und ihre Reichweite zu erhöhen.
Die Finanzwelt wird immer weiter in die digitalen Ökosysteme der großen Plattformanbieter integriert. Ein Beispiel ist die neue ‚Tap to Cash‘ Funktion von Apple. Hierbei kann eine Zahlung an ein anderes iPhone vorgenommen werden, indem die beiden Geräte lediglich nebeneinandergehalten werden. Der Vorgang ist technisch vergleichbar mit ‚AirDrop‘, nur geht es jetzt um Finanzzahlungen, nicht einfache Dateiübertragungen.
Das Smartphone ist der neue Alltag der Kunden. Finanzlösungen, die nicht auf den gängigen Schlüsseltechnologien und Devices bereitgestellt werden können, existieren faktisch nicht. Das ist vergleichbar mit der analogen Welt. Wenn man auf dem physischen Marktplatz einer Stadt keine Filiale hatte, hat man selbstredend auch keinen Umsatz generiert. Nicht anders ist dies auf den modernen elektronischen Marktplätzen unserer Zeit. Hier findet zukünftig ein Großteil des Warenkonsums, der sozialen Interaktion und auch des täglichen Bankings statt.
ÜBERSETZUNGSDIENSTE, UM DIE GENERATION Z ZU VERSTEHEN, BOOMEN
Als Gen Z werden junge Menschen bezeichnet, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Selten hat eine junge Generation so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Warum?
Als erste Generation, die vollständig mit dem Smartphone aufgewachsen ist, steckt ihre Welt voller Abenteuer, voller Konsummöglichkeiten, Reisen und Erfüllung. Erfolgsgeschichten reihen sich an Erfolgsgeschichten. Und selbst im eigenen Freundeskreis machen so viele so coole Dinge. Soweit der Trugschluss.
Die Ernüchterung folgt beim Aufschlagen in der realen Welt. Erfolge zu erzielen ist hier weitaus schwieriger als gedacht. Für viele ist das Gewünschte gar unerreichbar. Die wirkliche Welt ist schlicht zu teuer, zu weit weg, außer Reichweite. Der Graben zwischen den Erwartungen und Wünschen der Gen Z und dem Angebot und der Wirklichkeit in der realen Welt ist groß, zu groß.
Die hieraus entstehende latente Unzufriedenheit und Desperateness führen zu Empfänglichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen und damit zu neuen Verhaltensreaktionen. In der Freizeit muss es extremer werden. Privat fragt man sich, warum Kompromisse? Und im Beruflichen, weshalb erkennt eigentlich niemand meine Genialität?
FORTSCHRITT BEDEUTET SICH SELBST AUS DEM WEG ZU GEHEN
In Phasen der Weiterentwicklung neigen erfolgreiche Manager dazu, auf ihren Erfahrungsschatz zurückzugreifen. Sie haben bereits viel gesehen und sich womöglich schon ihre Erfolgsformel bereitgelegt. Dies verschafft Sicherheit, verstellt aber zeitgleich den Blick auf Möglichkeiten und Chancen, die sich anderweitig ergeben könnten. Es ist als erfahrener Manager nicht einfach, aus seinem ‚Erfolgstrott‘ auszubrechen und wirklich Neues zuzulassen. Hierzu müssten Routinen gebrochen werden und man müsste bewusst neue Wege gehen. Die Unsicherheit der wirklich neuen Wege wird oft nicht in Kauf genommen. Weswegen ein Risiko eingehen?
Und so kommt es, wie es kommen muss. Die brandneue Strategie ähnelt doch sehr stark der alten. Der Apfel fällt auch hier nicht weit vom Stamm. Und so laufen wir bevorzugt die Wege, die wir bereits kennen und erwarten Neues zu entdecken. Dabei müssten wir längst erkennen, dass es einsam wird auf diesen Wegen. Und, wenn man tief in sich hineinhört, wünscht man sich selbst auch mehr Veränderung. Veränderung fängt aber bei einem selbst an. Und hier stehen wir uns noch allzu oft selbst im Weg.
Erfahrungen sind demnach kein Grundgesetz, welche in Stein gemeißelt sind. Sie sollten als Learnings begriffen werden, nicht als zwingender Masterplan für die Zukunft. Wenn Rahmenbedingungen sich grundlegend ändern, gilt: ‚Our past is a lesson, not a blueprint.‘
FINTECH – BUZZWORD BINGO FATIGUE, JETZT ABER BUTTER BEI DIE FISCHE
Die Zeitenwende auf Zinsseite hat auch zu einem Umdenken auf Investorenseite geführt. Plötzlich hatte Kapital (Geld) wieder einen Preis. Zum einen konnte man risikofreie Renditen über klassische Anlageformen erzielen. Zum anderen musste man für Fremdkapital nun deutlich tiefer in die Taschen greifen.
Vorbei waren die Zeiten, in denen alle FinTech-Leader von Bühne zu Bühne und von öffentlichem Auftritt zu öffentlichem Auftritt hofiert wurden. Der Superstar-Faktor war rascher verflogen als er gekommen war.
Inzwischen träumen deutlich weniger FinTechs ihre Träume weiter. Viele habe es nicht geschafft. Vielen Kunden war die FinTech Revolution vielleicht auch egal. Viele Versprechungen waren vielleicht auch nur Versprechungen. Für einige der Spieler bedeutete dies Entlassungen, Umstrukturierungen und am Ende auch die Insolvenz.
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