Das Vertrauen in den dauerhaften Erhalt der Demokratie in Deutschland ist erschreckend gering: Nur rund zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung (67 Prozent) traut der heutigen Generation der Kinder und Jugendlichen zu, als Erwachsene Verantwortung für den Erhalt unserer Demokratie zu übernehmen. Die Kinder und Jugendlichen sind bei dieser Frage noch skeptischer: Nur 54 Prozent trauen der heutigen jungen Generation zu, sich als Erwachsene für die Demokratie in Deutschland einzusetzen. Bei der Vermittlung demokratischer Überzeugungen und Fähigkeiten sind nach Ansicht der Erwachsenen die Familie und das Elternhaus zentral: Für 85 Prozent trägt hauptsächlich das familiäre Umfeld die Verantwortung dafür, bei Kindern und Jugendlichen demokratische Überzeugungen und Fähigkeiten zu fördern. Die Kinder und Jugendlichen hingegen sehen die Hauptverantwortlichkeit bei der Vermittlung demokratischer Überzeugungen und Fähigkeiten bei Schulen und Kitas (73 Prozent).
Um die demokratischen Überzeugungen und Fähigkeiten bei jungen Menschen besser zu fördern, sollte es aus Sicht der befragten Kinder und Jugendlichen (92 Prozent) vor allem mehr Geld für die Kinder- und Jugendarbeit geben, zum Beispiel für Jugendclubs. 91 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind der Auffassung, dass die Interessen der jungen Generation stärker in der Politik berücksichtigt werden sollten, 89 Prozent sind der Auffassung, dass im Schulunterricht mehr über aktuelle politische Ereignisse gesprochen und die erklärt werden sollten. Bei den Erwachsenen (jeweils 89 Prozent) werden ein verstärkter Austausch zu aktuellen politischen Ereignissen im Schulunterricht und die Förderung sozialer Begegnungsmöglichkeiten, beispielsweise in Form von Stadtteilzentren oder Jugendfreizeiten, als wichtigste Maßnahmen angesehen, um die demokratischen Überzeugungen und Fähigkeiten bei jungen Menschen zu fördern. 86 Prozent sprechen sich in diesem Zusammenhang für eine bessere finanzielle Ausstattung der Kinder- und Jugendarbeit aus.
Das sind zentrale Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter Erwachsenen sowie einer ergänzenden Kinder- und Jugendbefragung des Sozial- und Politikforschungsinstituts Verian im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes für den Kinderreport 2024, den der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, und der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, Holger Hofmann, heute in Berlin vorstellten.
„Die Demokratie ist eine Gesellschaftsform, die in jeder Generation neu gelernt werden muss und deren Fortbestand nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden darf. Dementsprechend ist Demokratiebildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das insgesamt doch geringe Vertrauen in die Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen, die Demokratie in Deutschland auch zukünftig zu bewahren, erfüllt uns mit großer Sorge. Studien zeigen uns, dass Kinder und Jugendliche demokratische Haltungen am ehesten entwickeln, wenn sie Demokratie selbst erleben und deren positive Auswirkungen erfahren. Um dies zu ermöglichen, braucht es sowohl zuträgliche Rahmenbedingungen als auch individuelle Förderungskonzepte. Wie die aussehen könnten, zeigt uns der Kinderreport 2024 auf. Als Kinderrechtsorganisation setzen wir uns dafür ein, dass Demokratiebildung bereits früh in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen verankert und dort in der Praxis gelebt wird. Dafür braucht es eine ganzheitliche Demokratiebildung in Kindertageseinrichtungen sowie in Schulen und Schulhorten, deren Fundament die sich wechselseitig bedingende Verwirklichung von Kinderrechtebildung, Inklusion, Partizipation und Schutz vor Diskriminierung ist. Unsere Demokratie wird derzeit an vielen Stellen herausgefordert wie lange nicht. Wir müssen es schaffen, sie mit Leben zu füllen, ihre Voraussetzungen zu bewahren und sie offensiv gegen Bedrohungen zu verteidigen. Und zwar jeden Tag aufs Neue“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Demokratie bedeutet Mitbestimmung und Vertrauen – das gilt auch für unsere Kinder und Jugendlichen. Der Kinderreport 2024 zeigt: hier liegt einiges im Argen. Aus diesen Umfrageergebnissen leitet sich ein klarer Auftrag für Politik und Gesellschaft ab. Die Kinder gehören in den Mittelpunkt unserer Politik – kommunal vor Ort, in den Ländern aber vor allem deutschlandweit. Wir müssen den Kindern und Jugendlichen besser zuhören und ihre Anliegen noch stärker in politische Entscheidungen einbeziehen. Demokratie muss schon in Kita und Schulen vermittelt und erlebbar gemacht werden. Lehrerinnen und Erzieher brauchen gute Bedingungen, um diesen Anspruch erfüllen zu können. In Nordrhein-Westfalen geben wir deshalb Rekordsummen für den Bereich Bildung aus. Es wäre gut, wenn auch der Bund die Kinder- und Jugendpolitik ganz oben auf seine Agenda setzen würde“, sagt Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.
Für den Kinderreport 2024 des Deutschen Kinderhilfswerkes führte das Sozial- und Politikforschungsinstitut Verian zwei Umfragen in Deutschland durch, eine unter Kindern und Jugendlichen (10- bis 17-Jährige) und eine unter Erwachsenen (ab 18-Jährige). Befragt wurden insgesamt 1.672 Personen, davon 666 Kinder und Jugendliche sowie 1.006 Erwachsene. Die Befragungen der Kinder und Jugendlichen erfolgte altersgerecht online unter Nutzung eines Access-Panels, die Erwachsenen wurden mittels computergestützter Telefoninterviews befragt. Alle Fragen wurden Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen gleichermaßen gestellt, allerdings wurde den Kindern und Jugendlichen ein Fragebogen mit Formulierungen vorgelegt, die der Altersgruppe angepasst worden waren.
Der Kinderreport 2024 des Deutschen Kinderhilfswerkes, die Fragen und Ergebnisse der Umfragen für den Kinderreport 2024 sowie eine Zusammenfassung des Kinderreports 2024 können unter www.dkhw.de/Kinderreport2024 heruntergeladen werden.
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