Der 16. Europäische Mediengipfel brachte hochkarätige Expert:innen, Journalist:innen und Entscheidungsträger:innen zusammen, um die drängendsten geopolitischen, wirtschaftlichen und medialen Themen unserer Zeit zu diskutieren. Über drei Tage hinweg standen Herausforderungen wie der Aufstieg globaler Blöcke, die Zukunft des Journalismus und Europas Rolle in einer sich wandelnden Welt im Mittelpunkt.
Mit der Frage „Erfindet sich die EU neu? Oder ist es eher so, dass der Kontinent zerbröselt?“ eröffnete Ivo Mijnssen, Präsident der Auslandspresse in Wien, den Europäischen Mediengipfel. Internationale Expert:innen wie der Ex-Mossad-Agent Ram Igra und der Militärexperte Franz-Stefan Gady beleuchteten geopolitische Konflikte, darunter die Konflikte im Nahen Osten. Igra betonte, dass „das Ende eines Krieges immer politisch und nie militärisch“ sei. Auch die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und ihre Auswirkungen auf Europa wurden intensiv diskutiert. Politologe Ivan Krastev warnte vor einer geopolitischen Zerreißprobe für Europa, während China-Experte Chaoting Cheng auf die wachsenden Spannungen zwischen China und den USA hinwies.
Die Zukunft des Journalismus war ein weiteres zentrales Thema. Ex-ORF-Korrespondent Tim Cupal mahnte zur präzisen Berichterstattung, um Pauschalisierungen und Vorurteile zu vermeiden. Susanne Glass (BR) erklärte, dass Journalist:innen zunehmend selbst zur Zielscheibe würden und sprach von einem drohenden „Zerfall der Demokratie“.
Europas Herausforderungen im Superwahljahr 2024
Der zweite Tag stand im Zeichen globaler Machtverschiebungen und Europas medialer Identität. In der Diskussion „Trump gewinnt – verliert Europa?“ forderte Othmar Karas (Erster Vizepräsident des europäischen Parlaments a.D.) mehr europäische Eigenständigkeit. Hannelore Veit (Ex-ORF-Korrespondentin) betonte Trumps Verhandlungsgeschick: „Er ist ein Dealmaker und ein Opportunist.“ Die wirtschaftliche Perspektive Europas stand im Fokus einer Diskussion mit dem designierten österreichischen Nationalbank-Gouverneur Martin Kocher und dem Starökonomen Gabriel Felbermayr. Kocher erklärte: „Einige externe Faktoren wie den Ukrainekrieg können wir nicht beeinflussen, aber in Österreich selbst müssen wir nicht länger jede Firma vor dem Konkurs retten.“ Felbermayr äußerte sich optimistisch über die Industrieentwicklung: „In der Industrie sind die Erwartungen besser als die aktuelle Lage.“ Zugleich warnte er vor den Risiken von Vermögensteuern, da Kapital in Länder mit geringerer Steuerlast abwandern könnte.
Europas digitale Wettbewerbsfähigkeit
Der Autor Thomas Ramge betonte, dass Europas Zukunft von gezielten Investitionen statt übermäßiger Regulierung abhänge. Barbara Thaler (WK-Präsidentin Tirol) hob hervor: „Der innere Antrieb, sich für Nachhaltigkeit und Innovation einzusetzen, ist der beste Motor für unsere Zukunft.“ Herbert Tanner (Leiter Softwareentwicklung Digitale Industrie bei Siemens) ergänzte, dass technologische Fortschritte oft durch negative Schlagzeilen überschattet würden.
Gesellschaftliche Herausforderungen: Islamischer Extremismus
Die gesellschaftliche Dimension europäischer Sicherheit beleuchtete die Frauenrechtlerin Seyran Ateş. In einem Gespräch mit Alexandra Föderl-Schmid (Süddeutsche Zeitung) warnte sie vor dem wachsenden islamischen Extremismus in Europa. Sie betonte, dass Europa endlich aufwachen müsse und die Realität eines erheblichen islamistischen Problems akzeptieren sollte. „Die Gemeinden wurden nach den großen Flüchtlingsströmen alleingelassen, und jetzt stehen wir vor einer Herausforderung, die uns zu überfordern droht“, so Ateş.
Magnus Brunner über die EU-Sicherheitsstrategie
In der von Meret Baumann (NZZ) und Tim Cupal (ehemaliger ORF-Korrespondent in Brüssel) geführten Pressestunde mit EU-Kommissar Magnus Brunner standen die Herausforderungen der Europäischen Union im Fokus. Brisant ist für Brunner dabei unter anderem das Migrationsthema: „Wir müssen uns wappnen.” Weitere Flüchtlingsströme, etwa aus dem Libanon, seien abzusehen. Sicherheitsideen seien in einer Strategie enthalten, die er in 100 Tagen vorlegen wolle. „Menschen müssen wieder das Gefühl bekommen, dass wir die Kontrolle darüber haben, was in Europa passiert”, so Brunner.
„Wir müssen über Integration reden“
Trotz zentraler Bedeutung der Integrations-Thematik, auch für Wahlen, würden verhärtete Fronten die Lösungsfindung erschweren, so Ilkay Idiskut (Lehrerin & Protagonistin im aktuellen Dokumentarfilm „Favoriten“). 45 Prozent der Schulkinder in Wien könnten sprachlich dem Unterricht nicht folgen, so Idiskut. Es sei eine Zahl, die man ernst nehmen müsse. Die Lösung sei Durchmischung. „Weil es diese Durchmischung heute so nicht gibt, kann ich auch in einem türkischen Supermarkt einkaufen und brauche gar nicht die deutsche Sprache”, so Idiskut. Für Coquelin sei Integration mit Perspektivenwechsel gleichzusetzen. Der sei nicht nur ethnisch sinnvoll, sondern auch nach Aspekten wie dem Gehalt.
Über den Europäischen Mediengipfel Lech am Arlberg
Seit dem Gründungsjahr 2007 bildet der Europäische Mediengipfel in Lech am Arlberg einen außergewöhnlichen Rahmen für Diskussionen, in denen ungefilterte Einblicke und fundierte Ausblicke in die anhaltend turbulente Welt der Medien, die europäische Politik und die wirtschaftlichen, wie gesellschaftspolitischen Zusammenhänge der europäischen Lebensrealität geboten werden. Der von Beginn an unter der Schirmherrschaft des österreichischen Außenministeriums stehende Europäische Mediengipfel – von der Kommunikationsagentur ProMedia Kommunikation initiiert und seither federführend mit Lech Zürs Tourismus GmbH und dem Verband der Auslandspresse in Wien organisiert – wird von der Gemeinde Lech und dem Land Vorarlberg unterstützt. Weitere Partner sind die Lebensraum Tirol Gruppe mit der Tirol Werbung und der Standortagentur Tirol, die Industriellenvereinigung Tirol und Siemens. Die „Medienakademie“ wird ermöglicht und unterstützt durch die Wirtschaftskammer Österreich, die APA – Austria Presse Agentur und die Moser Holding.
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