Wenn Politikwissenschaftler künftig ein Seminar über taktische Fehler bei der Aufstellung von Spitzenkandidaten geben, haben sie ein neues Referenzbeispiel. Die Nominierung des SPD-Spitzenkandidaten für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar ist eine atemberaubende Fehlleistung des Kanzlers, der Parteiführung, der Landesverbände und des Publikumslieblings Boris Pistorius. Alle gemeinsam haben dafür gesorgt, dass eine fast aussichtslose Lage der SPD zur Mission Impossible wird. Die SPD hat dem Wahlvolk eindrucksvoll gezeigt, dass sie nicht einmal selbst geschlossen an den eigenen Kandidaten glaubt. Wie soll dann Deutschland an ihn glauben?
Nach dem Rauswurf von Christian Lindner gab es einen der seltenen Momente, in denen Olaf Scholz die Führung lieferte, die bei ihm bestellt war. Er hatte Christian Lindner überrumpelt und war über Nacht im Fahrersitz und hätte mit der Partei hochschalten müssen. Stattdessen hat man gemeinsam den Leerlauf eingelegt und den Motor aufheulen lassen. Jetzt steht man immer noch auf der Startlinie, und am Horizont sieht man die Rücklichter von Friedrich Merz.
Boris Pistorius hat jetzt sehr spät erkannt: Jeder Tag mehr mit seinem dröhnenden Schweigen zur Kanzlerkandidatur macht die Lage für die SPD schlimmer. Tagelang hatte er den Kanzler zappeln lassen und provozierte zugleich die Frage: Was kann Pistorius eigentlich besser? Die Antwort fiel nicht überall in der Partei zu seinen Gunsten aus.
Jetzt bleibt der Kanzler als Kandidat gesetzt, er muss wieder ganz unten anfangen. Der Schaden ist da. Auf 14 Prozent ist die SPD gefallen, und nach diesen Tagen ist der Boden noch immer nicht in Sicht.
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