- Polykrise verändert Prioritäten, doch die nachhaltige Transformation hat meist eine gleichbleibende oder sogar höhere Bedeutung als vor drei Jahren
- Chancen im Fokus: Drei von vier der befragten Unternehmen konzentrieren sich auf Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder
- Regulatorik verschlingt Ressourcen, vor allem die CSRD-Richtlinie erntet Kritik
- Mit sieben Stellhebeln gelingt die Anpassung der Nachhaltigkeitsstrategie an die veränderten Rahmenbedingungen
Die zu Anfang dieses Jahrzehnts zu beobachtende Aufbruchstimmung bei der nachhaltigen Transformation ist einer eher nüchternen Betrachtungsweise gewichen. Die Unternehmen halten zwar Kurs, achten nun aber stärker auf die Wirtschaftlichkeit. Dies ergaben ausführliche Gespräche mit rund 20 Top-Führungskräften der deutschen und österreichischen Wirtschaft für die Studie „Nachhaltigkeit: Auf dem Weg zur Wirtschaftlichkeit“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company und des FUTURE Institute for Sustainable Transformation an der Frankfurt School of Finance & Management. Zu den Gesprächspartnerinnen und -partnern zählten Führungspersönlichkeiten börsennotierter Konzerne wie SAP und RWE, weltweit agierender Hersteller wie Nestlé und Procter & Gamble sowie großer Familienunternehmen und des gehobenen Mittelstands.
Hohe Zufriedenheit mit bisher erzielten Fortschritten
Fast alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer messen der nachhaltigen Transformation eine genauso hohe oder sogar höhere Bedeutung bei als zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der ersten entsprechenden Studie vor drei Jahren. „Deutsche und österreichische Unternehmen halten in den aktuell herausfordernden Zeiten Kurs, was die Nachhaltigkeit angeht“, beobachtet Bain-Partner und Co-Autor Karl Strempel. Dafür spreche auch die Tatsache, dass 60 Prozent der Befragten mit dem Grad der bisherigen Zielerreichung in ihrem Unternehmen zufrieden seien, 30 Prozent sogar sehr zufrieden. Mittlerweile sei Nachhaltigkeit vielerorts ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie, derartige Projekte müssten den gleichen Kriterien standhalten wie andere Investitionen.
Dass die Wirtschaftlichkeit beim Thema Nachhaltigkeit stärker betont wird, ist nicht zuletzt eine Folge der gegenwärtigen Polykrise, die sich aus geopolitischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren zusammensetzt. Einen weiteren Grund nennt Joern Soyke, Executive Director des FUTURE Institute und Co-Autor: „Bislang sind viele private wie gewerbliche Kundinnen und Kunden begrenzt gewillt, einen höheren Preis für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu akzeptieren. Nur bezahlbare Nachhaltigkeit ist daher wirklich nachhaltig.“ Dennoch gilt es vor diesem Hintergrund für die Unternehmen, verstärkt in ihre Vertriebsteams zu investieren. So können sie diejenigen Kundensegmente besser identifizieren und zielgenauer ansprechen, die schon heute bereit sind, mehr für Nachhaltigkeit auszugeben.
Bezahlbare Nachhaltigkeit bietet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten. Gut drei Viertel der an der Studie beteiligten Unternehmen fokussieren sich daher bei der Transformation darauf, neue Geschäftsfelder und Märkte zu erschließen. Das Spektrum reicht hierbei von der breiteren Vermarktung ökologisch nachhaltiger Produkte über die stärkere Ausrichtung des Portfolios an ESG-Kriterien bis hin zum Aufbau eigener Töchter für Themen wie Kreislaufwirtschaft oder nachhaltige Beratung. Für den damit verbundenen Wandel sehen sich die Befragten intern gut aufgestellt, Nachhaltigkeitsteams und Governance werden mehrheitlich als effektiv und wirkungsvoll beschrieben.
Unzufriedenheit mit überbordender Regulierung
Die engmaschige Regulierung erfordert jedoch zunehmend Zeit und Ressourcen. Besonders in der Kritik steht das auf EU-Ebene beschlossene CSRD-Reporting (Corporate Social Responsibility Directive) mit seinen umfangreichen Vorgaben. Als Hürden auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sehen die Führungskräfte auch den bröckelnden Rückhalt in der Gesellschaft infolge veränderter Prioritäten angesichts der Polykrise.
Die Studie identifiziert darüber hinaus mögliche Treiber für einen beschleunigten Wandel. Dazu zählt neben technologischen Innovationen und der Bereitstellung von ausreichend öffentlichem wie privatem Kapital eine höhere CO2-Bepreisung. Nachhaltigkeitsexperte Soyke fordert ein Umdenken: „Mit einem möglichst länderübergreifenden, vorhersehbar und kontinuierlich steigenden Preis für CO2-Emissionen könnte die Politik mehr bewirken als mit oft nicht umsetzungsorientierten Auflagen.“
Nachhaltigkeitsstrategien auf den Prüfstand – sieben Stellhebel
Die aktuelle Entwicklung der Regulatorik und des Kundenverhaltens erfordert ebenso wie die anhaltende Polykrise, die Nachhaltigkeitsstrategien zu überprüfen und anzupassen. Die Studie hat sieben Stellhebel identifiziert, um Ambition und Umsetzungsgeschwindigkeit zu adjustieren sowie Maßnahmen mit Blick auf Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit zu optimieren. Dazu zählt eine gezielte Innovationstätigkeit genauso wie der vermehrte Abschluss von Kooperationen und die bessere Nutzung von Marktchancen im Vertrieb. Dabei kann es mit Blick auf sich bietende Marktchancen durchaus sinnvoll sein, bei der nachhaltigen Transformation noch einen Gang höher zu schalten. In anderen Branchen dagegen ist es angebracht, einzelne ESG-Themen differenzierter zu betrachten oder sich sogar auf weniger und dafür höchst wertstiftende Nachhaltigkeitsaspekte zu konzentrieren sowie die Transformationsgeschwindigkeit zu überprüfen.
„Die nachhaltige Transformation bleibt eine Mammutaufgabe“, betont Bain-Partner Strempel, der die Praxisgruppe Sustainability & Responsibility in der DACH-Region leitet. Aus der Erfahrung aus zahlreichen Projekten in Asien, Amerika und Europa heraus hat Bain ein Framework entwickelt, um den erforderlichen ganzheitlichen Wandel zu orchestrieren. Es berücksichtigt neben der strategischen auch die finanzielle Perspektive und bietet so den passenden Rahmen angesichts der voraussichtlich noch länger anhaltenden Polykrise. Strempel fordert die Wirtschaft auf, weiter Kurs zu halten: „Je früher Unternehmen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit verbinden, desto eher können sie sich einen Vorsprung im globalen Wettbewerb erarbeiten.“
Bain & Company ist eine international führende Unternehmensberatung, die Entscheider:innen weltweit bei der Zukunftsgestaltung unterstützt. Mit unseren 65 Büros in 40 Ländern sind wir in unmittelbarer Nähe unserer Kundenunternehmen. Wir arbeiten gemeinsam mit ihnen daran, den Wettbewerb zu übertreffen und neue Standards in den jeweiligen Branchen zu setzen. Partnerschaften aus unserem Ökosystem digitaler Innovatoren ergänzen unsere Expertise und sorgen dafür, dass wir für unsere Kundschaft bessere, schnellere und nachhaltigere Ergebnisse erzielen. In den kommenden zehn Jahren werden wir weltweit mehr als eine Milliarde US-Dollar in Pro-Bono-Projekte investieren. Wir unterstützen Organisationen, die sich den aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Bildung, Umwelt sowie wirtschaftliche Entwicklung stellen und sich für Gleichberechtigung in jeder Hinsicht engagieren. Von EcoVadis, der führenden Plattform für ökologische, soziale und ethische Leistungsbewertungen für globale Lieferketten, sind wir mit der Platinmedaille ausgezeichnet worden. Damit gehören wir zu den besten 1 Prozent der untersuchten Unternehmen. Seit unserer Gründung 1973 messen wir unseren Erfolg am Erfolg unserer Kundenunternehmen und sind stolz darauf, dass wir die höchste Weiterempfehlungsrate in der Beratungsbranche haben. Mehr unter: www.bain.de, www.bain.at, www.bain-company.ch
Das FUTURE Institute for Sustainable Transformation an der Frankfurt School of Finance & Management (FUTURE Institute) ist eine forschungs- und handlungsorientierte Institution, die sich der Förderung der Nachhaltigkeit über alle Branchen hinweg und in der Gesellschaft insgesamt verschrieben hat. Ihr Ziel ist es, akademische Forschung in konkrete Strategien für Unternehmen umzusetzen. Das FUTURE Institute konzentriert sich auf die Umsetzung von Nachhaltigkeit vom Konzept zu konkreten Maßnahmen und bietet Lösungen an, die auf strenger wissenschaftlicher Forschung beruhen. Sein Ansatz konzentriert sich auf die Verringerung der Umweltauswirkungen (Footprint), die Steigerung positiver gesellschaftlicher Beiträge (Handprint) und die Anregung kollektiven Handelns durch Bildung und Zusammenarbeit (Heartprint). Durch die Bereitstellung von Vordenkerleistungen, angewandter Forschung und Bildung unterstützt das FUTURE Institute Organisationen auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit, fördert messbaren, positiven Wandel und die Zusammenarbeit über Sektoren hinweg. Weitere Informationen unter: www.future-fs.de
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Frankfurt School of Finance & Management
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