Tiefe Augenringe und ein aufgequollenes Gesicht: Als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch vor die Kameras trat, um zu zeigen, wer der stärkste Mann im Land ist, sprach sein Äußeres eine andere Sprache. Netanjahu wollte Macht demonstrieren, als er Verteidigungsminister Joav Galant feuerte. Er zeigt damit aber eher, wie schwach er inzwischen ist.
Netanjahu weiß sehr gut, dass es höchst riskant ist, mitten in einem zähen Krieg an sieben Fronten den Verteidigungsminister zu entlassen. Aber Galant wurde zu mächtig. Und er drohte dem Regierungschef gefährlich zu werden.
Da sind erstens die Umfragen: Netanjahu hat das Vertrauen der Israelis verloren. Sein Parteikollege Galant hingegen wurde im Lauf des Krieges sogar beliebter. Zweitens Israels wichtigster Verbündeter, die USA: Es ist kein Geheimnis, dass US-Präsident Joe Biden und sein Team alles Wichtige mit Galant besprachen, nicht mit Netanjahu, dem sie nicht trauen. Nur wenige Stunden vor seinem Rausschmiss saß Galant noch mit Bidens Nahostbeauftragtem Brett McGurk zusammen.
Drittens war Galant ein überzeugter Militarist, der den bizarren Wehrdienstbefreiungen für ultraorthodoxe Männer einen Riegel vorschieben wollte – sehr zum Ärger der ultraorthodoxen Parteien, die Netanjahu drohten, die Koalition zu verlassen. Ein Platzen der Regierung wäre Netanjahus Karriereende gewesen.
Also zog er die Notbremse. Er tat es, um sich selbst zu retten – und er gefährdet damit das Land. Die Israelis können angesichts der iranischen Bedrohung nichts weniger gebrauchen als schwere Turbulenzen im Inneren. Ihrer politischen Führung ist das egal.
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