Am 26. Oktober sind mehr als 3 Millionen Georgierinnen und Georgier aufgerufen, ihre Stimme für ein neues Parlament abzugeben. Sie haben die Wahl zwischen einer stärkeren Integration in die EU oder einer Annäherung an Russland, zwischen einer liberalen Demokratie oder einer weiteren Schwächung der Demokratie. Allerdings:
„Die politische Lage im Land ist sehr kompliziert. Die georgische Regierung unter Premierminister Irakli Kobakhidze zeigt verstärkt autokratische Tendenzen und strebt offenbar eine stärkere Annäherung an Russland an. Präsidentin Salome Surabischwili gilt als EU-nah und ist eine klare Verfechterin der rechtsstaatlichen Prinzipien. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ist für einen EU- und NATO-Beitritt, Teile der Opposition ebenfalls“, erklärt Uwe Strohbach, Südkaukasus-Experte von Germany Trade & Invest in Tiflis.
Jüngsten Umfragen zufolge gibt es zwei mögliche Szenarien für den Ausgang der Parlamentswahlen. Auf der einen Seite rechnen internationale Meinungsforschungsinstitute mit einer Stimmenmehrheit von mehr als 50 Prozent für die vier von der Opposition gebildeten pro-europäischen Wahlblöcke. Die regierende Partei Georgischer Traum kommt hier lediglich auf ein Drittel der Wählerstimmen. Die Oppositionsparteien hätten somit die Chance auf einen Wahlsieg und haben für diesen Fall bereits die Bildung einer Übergangsregierung aus Experten angekündigt, die das Land politisch wieder auf EU-Kurs zurückführen soll.
Demgegenüber sehen regierungsnahe Meinungsforscher den Georgischen Traum als klaren Wahlsieger mit einer Zustimmung von 60 Prozent. In der Höhe gilt ein solches Ergebnis zwar als unrealistisch. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zahlreiche Wahlberechtigte ihre Stimme der bisherigen Regierungspartei geben wollen, weil sie Alternativen kaum für wählbar halten. Hinzu kommt, dass nicht wenige Unternehmen die für sie essenziellen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland nicht aufs Spiel setzen möchten. Georgien liefert vor allem Lebensmittel nach Russland. Außerdem spielen Gäste aus Russland eine wichtige Rolle für den georgischen Tourismussektor. Der Georgische Traum sei das kleinere Übel zu den anderen Wahloptionen, so äußerten sich Wähler aus der Unternehmerschaft gegenüber dem GTAI-Experten Strohbach.
Letztlich bleiben viele Fragen für die künftige Regierungsbildung offen. Politisch stehen dem Land auf jedem Fall noch bewegte Zeiten bevor. Wie der Georgische Traum nach einem möglichen Wahlsieg wieder zurück an den Verhandlungstisch der EU finden kann und will, bleibt abzuwarten. Gibt es hier keine Lösungen, wäre die Enttäuschung der Bevölkerung groß, insbesondere in der jungen Wählerschaft.
„Auf die wirtschaftliche Entwicklung Georgiens dürfte sich der Ausgang der Wahlen – zumindest auf mittlere Sicht – kaum auswirken“, schätzt Südkaukasus-Experte Uwe Strohbach ein. „Die Wirtschaft profitiert von einem liberalen geschäftlichen Umfeld und hohen Einnahmen aus dem Tourismus. Die kleine südkaukasische Republik gilt zudem als ein Schlüsselland für den zunehmenden Warenverkehr über den Mittleren Transportkorridor zwischen China, Zentralasien und Europa. Zudem kündigten sowohl die Opposition als auch der Georgische Traum neue Initiativen und Fördermechanismen an, um die Wirtschaft des Landes spürbar voranzubringen.“
Weitere Informationen finden sie im aktuellen Wirtschaftsausblick Georgien.
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