Nach dem Machtwechsel in Polen vor knapp einem Jahr war der Amtsantritt des früheren EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk als Regierungschef in Berlin und Brüssel groß bejubelt worden. Nach den dunklen Jahren unter der rechtsnationalistischen PiS-Partei habe nun wieder ein wahrer Freund der Europäischen Union und ein liberaler Wahrer rechtsstaatlicher Prinzipien in Warschau das Sagen.
Nun zeigt sich: Auch dem Politiker von der liberal-konservativen Bürgerkoalition ist das Hemd näher als die Hose und das Recht für ihn eine dehnbare Größe. Als ein Element der polnischen Migrationsstrategie kündigte der Ministerpräsident eine vorübergehende territoriale Aussetzung des Asylrechts an. Für irregulär eingereiste Migranten sollen die EU-Grundrechte-Charta und internationale Konventionen auf polnischem Boden also keine Anwendung finden.
Diese Aussetzung ist nur ein Euphemismus für den Abbau von Rechten, mit dem der Abbau von Demokratie stets beginnt. Schuld ist wie immer der Russe und im speziellen Fall auch der mit ihm im Bunde befindliche belarussische Machthaber Lukaschenko. Die beiden Schurkenstaaten würden Menschen erst auf die Idee und die Beine bringen, um sich ausgerechnet via Polen einen Weg in die gelobten Länder zu bahnen und die EU von innen zu zersetzen.
Der Hintergrund des Vorstoßes hat mit dem Kreml aber wenig zu tun. Viel mehr geht es um mögliche Auswirkungen der Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen, die das bisher praktizierte Durchwinken von Asylbewerbern nach Deutschland und in andere EU-Länder erschweren. Und wie in anderen osteuropäischen Mitgliedsstaaten ist in Polen, das viele ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen hat und wo die Gastfreundschaft bereits abkühlt, innenpolitisch ein starker Widerstand gegen Einwanderer aus anderen Weltregionen vorhanden. Deshalb setzt Tusk Berlin unter Druck, sagt wie seine Vorgänger eine Lastenverteilung nach dem EU-Migrationspakt ab und will zu Hause mit einer restriktiven Migrationspolitik punkten. Damit liegt er dann schon wieder im EU-weiten Trend.
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