Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 ihre Resilienz und Solidität unter Beweis gestellt. „Trotz fehlender konjunktureller Impulse sind die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern weiter gewachsen. Das belegt, dass die Banken vorausschauend und der Lage angepasst agiert haben“, erklärte Stefan Müller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen am Mittwoch in München. Mit Sorge betrachtet der Verband allerdings die lahmende konjunkturelle Entwicklung und die zugleich zunehmende Bürokratie, die Finanz- und Realwirtschaft gleichermaßen belasten. „In Deutschland schlummern ungenutzte Potenziale, die jedoch derzeit in Bürokratie verpuffen“, kritisierte Müller.
Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken konnten dagegen trotz eines schwierigen Umfelds für positive Nachrichten sorgen. Insgesamt stiegen die Ausleihungen zwischen Januar und Juni um 0,9 Prozent. Gegenüber Juni 2023 hat das Kreditvolumen sogar um 2,2 Prozent zugenommen, wie GVB-Vorstandsmitglied Alexander Leißl erläuterte: „Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken stehen solide da und konnten damit zuverlässig die Kundinnen und Kunden mit Krediten und Finanzdienstleistungen versorgen.“ Das Neugeschäft mit Unternehmenskrediten belief sich auf 6,4 Milliarden Euro und lag damit leicht über dem Vorjahreswert von 6,3 Milliarden Euro. Allerdings zeigt sich hier die Auswirkung der schwachen Konjunktur, da dieser Wert im ersten Halbjahr 2022 noch bei 8,3 Milliarden Euro lag.
Wohnungsbau und Wertpapiere im Fokus
Das Neugeschäft mit Wohnungsbaukrediten an private Haushalte stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 5,7 Milliarden Euro auf 6,2 Milliarden Euro. Trotz leichtem Aufwärtstrend bleibt das Neugeschäft jedoch deutlich hinter den Vorjahren zurück. Im ersten Halbjahr 2022 wurden noch 12,2 Milliarden Euro neue Wohnungsbaukredite an private Haushalte vergeben. „Impulse für den Wohnungsbau sind unumgänglich. Mit verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten und steuerlichen Anreizen hat die Bundesregierung bereits Schritte in die richtige Richtung getan. Angesichts des hohen Wohnungsbedarfs reichen diese aber noch nicht aus“, betonte Leißl. „Wir können als Gesellschaft nicht unbeteiligt zusehen, wenn sich immer weniger Menschen eigenen Wohnraum und somit eine wesentliche Säule zu ihrer Altersvorsorge leisten können“, ergänzte Müller.
Erfreulich ist aus Sicht des GVB das nach wie vor hohe Interesse der Kundinnen und Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken an Wertpapieren. 56.000 neue Depots richteten die Banken im ersten Halbjahr ein. „In Deutschland entwickelt sich langsam eine Aktionärskultur“, freute sich Leißl. „Wertpapiere sind ein sinnvoller Weg, um Vermögen aufzubauen und an der internationalen Wirtschaftsentwicklung zu partizipieren“, sagte er.
Ungebrochen ist zudem der Trend der Umschichtung von Sicht- in Termineinlagen. „Die Volks- und Raiffeisenbanken bieten ihren Kundinnen und Kunden attraktive Anlageformen, die auf großes Interesse stoßen“, kommentierte der GVB-Vorstand diese Entwicklung. Während Sichteinlagen um 3,3 Prozent zurückgingen, legten Termineinlagen um 17,3 Prozent zu. Insgesamt nahmen die Kundengelder seit Jahresanfang um 0,1 Prozent zu auf 158,7 Milliarden Euro.
Klarer wirtschaftspolitischer Rahmen statt mehr Bürokratie
Der weitere Ausblick bleibt allerdings verhalten. „Die Wirtschaft in Deutschland stagniert, es fehlt an Dynamik. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer, insbesondere im Mittelstand, wollen anpacken. Sie sehen sich aktuell großen Herausforderungen gegenüber, wie der demografischen Entwicklung, Digitalisierung und der Dekarbonisierung der Wirtschaft. Sie müssen ihre Kraft darauf verwenden, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Politik konzentriert sich zu sehr auf kleinteilige Vorgaben, anstatt einen klaren wirtschaftspolitischen Rahmen zu setzen“, mahnte Müller. „Es braucht dringend wirtschaftliche Aufbruchsignale und keine weiteren Verteilungsvorschläge und Streitigkeiten in Berlin. Das bestätigen uns auch immer wieder Verbandsmitglieder aus der Realwirtschaft“, erläuterte Müller. An einem entschlossenen Abbau von Bürokratie, wie überbordenden Informations- und Dokumentationspflichten auf allen Ebenen, führt aus Sicht des Verbands kein Weg vorbei.
Daher hat der GVB 36 konkrete Vorschläge entwickelt, wie sich bürokratische Auflagen im Bankenbereich abbauen lassen. „Diese Vorschläge stammen aus der Praxis und lassen sich ohne Mühe schnell umsetzen. Das wäre ein wertvoller Beitrag, um Kreditinstitute zu entlasten und ihnen wieder mehr Raum für ihre eigentliche Aufgabe zu geben: Die Finanzierung des Mittelstands und insbesondere dessen nachhaltiger und digitaler Transformation“, betonte Müller.
Demografie und Altersvorsorge
Eine der großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen ist die demografische Entwicklung in Deutschland. Mit ihr wächst die Notwendigkeit, die Altersvorsorge für die breite Bevölkerung auf eine neue Basis zu stellen. Der Vorschlag aus der Regierungskoalition für ein Altersvorsorgedepot bietet hierzu einen vielversprechenden Ansatz. „Ein Altersvorsorgedepot wäre eine sinnvolle Weiterentwicklung der privaten Altersvorsorge. Auch wenn viele Details noch offen sind: Mehr Flexibilität und weniger Bürokratie führen zu höheren Renditen und gewährleisten Teilhabe an der Entwicklung der Wertpapiermärkte“, erklärte Müller.
Der Genossenschaftsverband Bayern e.V. (GVB) vertritt seit mehr als 130 Jahren die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1.200 Mitgliedern zählen 184 Volksbanken und Raiffeisenbanken (davon 29 Banken mit Warengeschäft) sowie 1.016 Unternehmen aus Branchen wie Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit rund 50.000 Beschäftigten und 2,8 Millionen Anteilseignern eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat.
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